München (Reuters) – Der zusammengebrochene Finanzkonzern Wirecard wurde nach Ansicht der Münchner Staatsanwaltschaft von einer Verbrechergruppe gesteuert.
Vorstandschef Markus Braun habe sich mit anderen Spitzenmanagern zu einer “Bande” zusammengeschlossen, um die Existenz eines erfolgreichen Unternehmens vorzutäuschen, sagte Staatsanwalt Matthias Bühring am Donnerstag bei der Verlesung der Anklage zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München. Auf der Anklagebank sitzen neben Braun die früheren Wirecard-Manager Stephan von Erffa und Oliver Bellenhaus.
Als Bandenmitglieder nannte Bühring neben den drei Angeklagten auch die früheren Vorstandsmitglieder Jan Marsalek und Burkhard Ley sowie externe Geschäftspartner. Marsalek, der für das Asien-Geschäft zuständig war, ist untergetaucht und wird in Russland vermutet. Ex-Finanzvorstand Ley hat sich seinem noch andauernden Ermittlungsverfahren gestellt, bestreitet aber eine Tatbeteiligung. Braun hat die Vorwürfe ebenfalls zurückgewiesen. Von Erffa hat zu den Anschuldigungen geschwiegen. Bellenhaus hat angekündigt, er werde Verantwortung übernehmen.
Bühring sagte, die Bande habe das Ziel gehabt, mit erfundenen Einnahmen von externen Geschäftspartnern die Bilanz und den Umsatz von Wirecard aufzublähen. Die Beteiligten hätten den “Tatplan” ausgeheckt, “das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen”. Mit der Manipulation sei Geldgebern vorgetäuscht worden, Wirecard sei zahlungsfähig und kreditwürdig. Tatsächlich habe Wirecard aber Verluste geschrieben und die Kredite gebraucht, “um den Kollaps des Unternehmens zu verhindern”. Die frisierten Geschäftszahlen hätten außerdem dazu gedient, den Kurs der Wirecard-Aktie zu steigern.
Wirecard hatte sich als Gewinner des Internethandels präsentiert und jahrelang boomende Geschäfte mit der Abwicklung von Online-Zahlungen ausgewiesen. Das gefeierte Finanztechnologie-Unternehmen aus dem Münchner Vorort Aschheim war 2018 in den Leitindex Dax aufgestiegen und hatte die Commerzbank daraus verdrängt. Zwei Jahre später brach der Konzern zusammen, als aufflog, dass 1,9 Milliarden Euro in der Kasse fehlten. Kreditgeber und Aktionäre verloren eine zweistellige Milliardensumme. Die Wirecard-Pleite ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Geschichte.
(Bericht von Jörn Poltz; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)