Frankfurt (Reuters) – Die Firmenpleiten in Deutschland haben im zu Ende gehenden Jahr aufgrund massiv steigender Energiekosten erstmals seit der Finanzkrise wieder zugenommen.
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sei geschätzt um vier Prozent auf 14.700 geklettert, teilte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Dienstag in Frankfurt mit. Das sei der erste Anstieg seit 2009, als die Firmenpleiten um gut elf Prozent auf rund 33.000 nach oben schnellten. Trotz des vergleichsweise moderaten Zuwaches 2022 sieht Creditreform eine Trendwende und erwartet im nächsten Jahr ein beschleunigtes Insolvenzgeschehen. Noch 2021 war die Zahl der Firmenpleiten um 11,9 Prozent auf 14.130 gesunken.
“Die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekosten sowie eine zunehmend verschärfte Wettbewerbssituation gehen bei vielen Unternehmen an die Substanz”, sagte Creditreform-Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch. Zahlreiche Firmen hätten zwar während der Corona-Pandemie Hilfen erhalten und sich so über Wasser halten können. “Aber diese jetzt sich überlagernden Krisen sind für viele einfach zu viel.”
Hantzsch rechnet damit, dass die Firmenpleiten 2023 weiter zunehmen. Dies sei jedoch sehr schwer zu beziffern. “Der sukzessive Anstieg wird sich allerdings in den ersten zwei Quartalen bestimmt um die 20 Prozent einpendeln.” Unklar sei noch, welche Liquiditätshilfen die Politik rund um Strompreise und Inflation auf den Weg bringe. “Das ist die ganz entscheidende Frage, die unmittelbar auch die Insolvenzzahlen beeinflusst.” Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe und hier im Maschinenbau seien entgegen einem jahrelangen Trend nun wieder mehr Insolvenzen zu erwarten.
Creditreform rechnet zudem damit, dass schuldenfinanzierte Unternehmen infolge des Zinserhöhungskurses der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem steigenden Zinsaufwand zurechtkommen müssen. Dazu belasteten der Konjunktureinbruch und die Energiepreiskrise die Erträge. Daher gebe es ein hohes Potenzial für Zahlungsausfälle 2023 und in den kommenden Jahren. Jüngst hatte das Statistische Bundesamt einen Anstieg der beantragten Regelinsolvenzen von Oktober auf November um 1,2 Prozent gemeldet..
DEUTLICH MEHR PLEITEN VON GROSSUNTERNEHMEN
In diesem Jahr gab es laut Creditreform 25 Prozent mehr Pleiten von Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten als 2021. Prominente Beispiele seien Galeria Karstadt Kaufhof und der Hamburger Schuh-Händler Görtz. Allerdings betrafen 85,8 Prozent aller Firmenpleiten sehr kleine Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten. Insgesamt gingen 2022 den Daten zufolge 175.000 Arbeitsplätze durch eine Insolvenz verloren – ein deutlicher Zuwachs von 24,1 Prozent gegenüber 2021.
Deutlich gesunken sind dagegen laut Creditreform die Verbraucherinsolvenzen. Im zu Ende gehenden Jahr fielen sie um 17,3 Prozent. Die Energiekrise habe bislang nicht zu einer Insolvenzwelle bei Privatpersonen geführt. Mit einer Rezession und der zunehmenden Dauer der Belastungen drohten bei den Verbrauchern aber künftig mehr Zahlungsausfälle.
(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Klaus Lauer – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)