Bonn (Reuters) – Im Bonner Cum-Ex-Prozess gegen den ehemaligen Steueranwalt Hanno Berger hat das Landgericht Bonn eine Freiheitsstrafe von acht Jahren verhängt.
Berger habe sich in drei Fällen der schweren Steuerhinterziehung schuldig gemacht, sagte Richter Roland Zickler am Dienstag. Der Steuerexperte habe ganz erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt, bei den Transaktionen handele es sich um eine “besonders schwere Form der Wirtschaftskriminalität”. Berger habe die betrügerischen Geschäfte mit Steuererstattungen breit ausgerollt und sei damit “der Erfinder von Cum-Ex 2.0”. Von seinem Vermögen sollen nach dem Urteil mehr als 13 Millionen Euro eingezogen werden. “Sie waren an zentraler Stelle eingebunden”, sagte der Richter zu Berger.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für Berger gefordert. Seine Verteidiger hatten auf eine konkrete Forderung verzichtet und an die “Güte des Gerichts” appelliert. Der Gesamtschaden durch Cum-Ex-Betrug wird von Experten auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.
Berger war im Februar aus der Schweiz an die deutsche Justiz ausgeliefert worden, der Prozess in Bonn lief seit April. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 72jährigen Steuerhinterziehung in drei Fällen vor, die ursprünglich angenommene Schadenshöhe aus den Geschäften zwischen 2007 bis 2011 lag bei insgesamt gut 278 Millionen Euro. Der Profit daraus soll dabei bei rund 27,3 Millionen Euro gelegen haben, dieser soll der Staatsanwaltschaft zufolge eingezogen werden. Berger gilt als einer der geistigen Väter des Betrugssystems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden vom Finanzamt doppelt erstatten ließen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende herum untereinander Aktien mit (“cum”) und ohne (“ex”) Dividendenanspruch. Der Gesamtschaden durch Cum-Ex-Betrug wird auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Razzien wegen solcher Fälle hatte es bei Banken immer wieder gegeben, in den vergangenen Monaten etwa bei der Deutschen Bank oder JPMorgan .
Berger habe sich in drei Fällen der besonders schweren Hinterziehung von Steuern schuldig gemacht, so Staatsanwalt Jan Schletz. Er habe mit hoher krimineller Energie gehandelt und eine “hervorgehobene” Rolle bei den Transaktionen eingenommen, bei denen es um den “blanken Griff in die Staatskasse” gegangen sei. Berger habe etwa der Hamburger Bank Warburg zu den Transaktionen geraten und die Geschäfte auch Investoren angeboten. “Der Profit wurde ausschließlich zu Lasten des Fiskus erzielt”, betonte er. Aussagen Bergers, er sei davon ausgegangen, die Transaktionen seien steuerrechtlich zulässig, seien eine “Schutzbehauptung”: “Berger wusste, dass der Gewinn aus der Steuer stammte.” Gegen Berger wird zudem noch vor dem Landgericht Wiesbaden verhandelt – auch dort geht es um mutmaßliche Steuerhinterziehung mit Hilfe von Cum-Ex-Geschäften.
Mit Berger stehe “ein zentraler Berater und Organisator der Cum-Ex-Industrie vor Gericht und das gibt dem Urteil eine enorme Bedeutung”, sagte Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Initiator des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses. Das Urteil solle Signalwirkung für alle Steueranwälte und Finanzprofis entfalten, die halblegale oder strafbare Deals anbieten. Aktuell ermitteln deutsche Staatsanwaltschaften gegen rund 1500 Beschuldigte wegen Cum-Ex-Aktiendeals, ein Schwerpunkt liegt dabei bei der Staatsanwaltschaft Köln, die ihre Fälle in Bonn zur Anklage bringt. Das Landgericht Bonn hatte unter anderem im März 2020 zwei britische Aktienhändler im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Fall Berger zeige, wie mühsam es sei, jeden einzelnen Fall nachzuweisen, bemängelte Schick. “Wir müssen in einem viel schnelleren Rhythmus zu abgeschlossenen Verfahren kommen, wenn es noch zu Lebzeiten gelingen soll, eine große Mehrheit der Beschuldigten vor Gericht zu stellen.”
(Bericht von Matthias Inverardi, Mitarbeit von Marta Orosz, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)