Berlin (Reuters) – Trotz explodierender Energiepreise und zunehmendem Fachkräftemangel ist der befürchtete Einbruch ausländischer Investitionen in Deutschland in diesem Jahr ausgeblieben.
“Bei der Zahl der Neuansiedlungen sieht es sogar etwas besser aus als 2021”, sagte der Geschäftsführer der bundeseigenen Wirtschaftsfördergesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI), Robert Hermann, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. 2021 siedelten insgesamt 1806 ausländische Unternehmen in Deutschland neu an oder haben ihre Standorte ausgebaut – ein Plus von sieben Prozent. “Es entwickelt sich weiter nach oben”, sagte Hermann mit Blick auf das zu Ende gehende Jahr. Abschließende Zahlen dazu lägen in einigen Monaten vor.
Auch bei den Anfragen – bei denen Investitionen angebahnt werden – gebe es einen positiven Trend und keinen Knick. “Es gibt keine Zurückhaltung gegenüber dem Standort Deutschland”, sagte Hermann angesichts der Debatten um eine drohende Deindustrialisierung durch die als Folge des russischen Kriegs gegen die Ukraine drastisch gestiegenen Energiepreise. Dies zeige sich auch darin, dass ausländische Unternehmen verstärkt in Zukunftstechnologien investierten – etwa in den Bereichen Halbleiter, Batterieproduktion und -recycling. “Hier gibt es viele Unternehmen, die sehr viel Geld investieren wollen.” Der US-Chiphersteller Intel etwa gab im Frühjahr bekannt, für 17 Milliarden Euro eine Anlage in Magdeburg bauen zu wollen.
Top-Investor sind im zu Ende gehenden Jahr die USA geblieben, mit großem Abstand. “Der Dollar-Wechselkurs spielt eine Riesenrolle”, sagte Hermann. Durch dessen starke Aufwertung zum Euro werden Investitionen hier für amerikanische Unternehmen günstiger. Auf Platz zwei der Investoren liegt Großbritannien, was die GTAI als Folge des Brexits sieht: “Wer in Deutschland aktiv ist, sichert sich Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt”, sagte Hermann. Auf Platz drei folgt Nachbar Frankreich.
“ECHTER EINFLUSS”
Nicht mehr in den Top-Ten vertreten ist hingegen China. “Das hat mit der Null-Covid-Politk der Volksrepublik zu tun, wegen der dortige Unternehmen weder raus- noch reinkommen”, sagte Hartmann. Im kommenden Jahr könne es aber ein Comeback chinesischer Investoren geben, da Peking inzwischen die strikte Politik gelockert habe. Zudem werde chinesischen Investoren die Übernahme deutscher Unternehmen erschwert, weshalb sie ihre Strategie ändern und sich selbst hier ansiedeln würden. “Deshalb könnte es 2023 wieder mehr chinesische Unternehmen geben, die nach Deutschland kommen.”
Für Großprojekte wird es allerdings zunehmend schwierig, geeignete Flächen zu finden – vor allem in Westdeutschland. Daher hatten sich zuletzt neben Intel beispielsweise auch Tesla einen Standort im Osten ausgesucht. Gebremst wird so manche Investition auch durch die starke Förderung in den USA durch den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA). So hat Tesla zwar seine Pläne für eine Batteriefabrik in Brandenburg zwar nicht ad acta gelegt, konzentriert sich aber wegen der enormen Steuervorteile zunächst auf sein Batteriezellwerk in Texas. “IRA hat einen echten Einfluss auf das Investitionsgeschehen”, sagte Hermann. “Das gilt gerade bei großen Vorhaben in Europa.”
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Hans Seidenstücker – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)