Berlin (Reuters) – Volkswagen will angesichts der zunehmenden Konkurrenz bei E-Autos in China das Entwicklungstempo erhöhen.
Chinesische Hersteller brauchten für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs nur etwa zweieinhalb Jahre, sagte China-Chef Ralf Brandstätter bei einem Medienroundtable in Berlin. Volkswagen benötige im Schnitt annähernd vier Jahre. “Wir nehmen uns aufgrund unserer Qualitätsansprüche auch bewusst etwas mehr Zeit, können an einigen Stellen aber schneller werden.” Gelingen soll das dadurch, dass mehr Entwickler bei Volkswagen sowie der Softwaretochter Cariad eingestellt und Kompetenzen im Werk in der Provinz Anhui im Südosten des Landes gebündelt werden. Bereits in einer früheren Phase der Entwicklung sollen Konzepte chinesischer Lieferanten einfließen. “Wir setzen auf mehr lokale Innovationen, entwickelt in China für China.”
Europas größter Autokonzern ist seit fast vier Jahrzehnten auf dem chinesischen Markt präsent und führt die Konkurrenz bei Verbrennungsmotoren an. In China fahren die Niedersachsen einen großen Teil ihres Gewinns ein, den sie für den Schwenk in die E-Mobilität und die Digitalisierung benötigen. Der Konzern spricht inzwischen aber nicht mehr von Marktführung, sondern davon, dass man eine führende Rolle auf dem weltgrößten Automarkt einnehmen wolle. Denn die chinesischen Hersteller haben aufgeholt und setzen die Rivalen VW, BMW und Mercedes bei Elektroautos massiv unter Druck. Zu den Marktführern gehören BYD und der US-Elektroautobauer Tesla.
Den harten Wettbewerb will sich Volkswagen zunutze machen. China sei “wie ein riesiges Fitnesscenter” für die Auto-Industrie. “Wir stellen uns konsequent darauf ein und nehmen die Herausforderung an”, sagte Brandstätter. “Wir müssen jetzt dagegenhalten – auch um perspektivisch unsere globale Position gegenüber dem chinesischen Wettbewerb halten zu können.” Das betreffe nicht nur Volkswagen, sondern die gesamte deutsche Auto-Industrie.
BESUCH IN XINJIANG
Brandstätter verwies auf den Plan der chinesischen Regierung, bei vernetzten und autonomen Fahrzeugen, so genannten Intelligent and Connected Vehicles (ICV), führend zu werden. Davon profitiere die chinesische Autoindustrie. Volkswagen wolle an der Entwicklung teilhaben. In der Debatte um eine zu große wirtschaftliche Abhängigkeit von China sprach sich Brandstätter gegen eine Entkoppelung des Westens von der Volksrepublik aus. “Wir müssen gerade jetzt im Austausch bleiben. Dazu helfen enge wirtschaftliche Beziehungen.”
Auf globaler Ebene diversifiziert Volkswagen derzeit seine Märkte, um Abhängigkeiten zu verringern. So investieren die Wolfsburger kräftig in Nordamerika und sichern dort auch einen Teil des Bedarfs an Rohstoffen für Elektroautos ab. In absehbarer Zeit soll in der Region auch eine Batteriezellfabrik entstehen. Die USA werben mit massiven Steuererleichterungen um Technologien für erneuerbare Energien wie Elektroautos.
Brandstätter kündigte für Februar einen Besuch in der chinesischen Provinz Xinjiang an, wo Volkswagen zusammen mit dem Staatskonzern SAIC ein Werk betreibt. In der Region im Nordwesten Chinas lebt die muslimische Minderheit der Uiguren, die vom chinesischen Staat unterdrückt wird. Andere Unternehmen wurden für eine kritische Haltung in dieser Frage von chinesischen Kunden mit Anfeindungen in den Sozialen Medien und Boykotten abgestraft. “Wir werden alles tun, was in unserer Kraft liegt, damit es in diesem Werk vernünftige Arbeitsbedingungen gibt. So wie in allen anderen Werken auch”, sagte Brandstätter. Auch das Lieferantennetz prüfe VW. “Wir haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen oder Zwangsarbeit.”
MODELLPALETTE WIRD AUSGEWEITET
Um seine Position in China zu behaupten, will Volkswagen das Modellangebot nach oben und nach unten erweitern – nach oben mit dem Elektro-Passat ID.7 und nach unten mit zum Beispiel einer kleinen Limousine oder einem SUV unterhalb des ID4. Ein ID.2 in der Form, wie er derzeit für Europa angedacht ist, sei für China aktuell nicht geplant.
Für 2023 rechnet der Konzern mit einem Wachstum des chinesischen Pkw-Marktes um vier bis fünf Prozent auf circa 23 Millionen Fahrzeuge.
(Bericht von Jan C. Schwartz und Victoria Waldersee; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)