Handel erwartet größten realen Umsatzrückgang seit Finanzkrise

Berlin (Reuters) – Der deutsche Einzelhandel rechnet in diesem Jahr wegen der hohen Inflation mit dem größten Umsatzschwund seit der globalen Finanzkrise 2009.

Inflationsbereinigt (real) dürfte er um drei Prozent sinken, sagte der Handelsverband Deutschland (HDE) am Dienstag in Berlin voraus. Es wäre der zweite reale Rückgang in Folge: 2022 hatte es ein Minus von knapp einem Prozent gegeben. “Der Einzelhandel behauptet sich 2023 unter nach wie vor schwierigen Bedingungen gut, verliert jedoch leicht an Boden”, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen bei der Vorstellung der neuen Prognosen. Mehr als die Hälfte der befragten Händler rechnet mit leicht oder sogar deutlich sinkenden Umsätzen im laufenden Jahr.

Die Zahl der Betriebe im Handel dürfte zudem weiter sinken, vor allem in kleinen und mittleren Städten. “Das Umfeld bleibt von Unsicherheit geprägt”, sagte von Preen. Bereits im vergangenen Jahr seien Tausende Standorte und Geschäfte aufgegeben worden – mitunter auch, weil sich keine Nachfolger für die in Rente gegangenen Inhaber fanden.

Im Gesamtjahr 2022 stieg der Umatz im Einzelhandel um 7,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt zuvor mitteilte. Inflationsbereinigt sank er hingegen um 0,6 Prozent, wobei die Statistiker im Gegensatz zum HDE beispielsweise auch Apotheken und Tankstellen in ihren Daten berücksichtigen. “Ursächlich für den realen Umsatzeinbruch dürften in erster Linie die deutlich gestiegenen Verbraucherpreise unter anderem für Lebensmittel und Energie sein”, erklärten die Statistiker.

“DESOLATE KONSUMLAUNE”

Dem Einzelhandel ist ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft die Puste ausgegangen. Der Umsatz fiel im Dezember um 4,8 Prozent niedriger aus als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Preisbereinigt (real) gab es sogar einen Rückgang von 5,3 Prozent. Dieser Absturz kommt überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet.

“Die desolate Konsumlaune hatte den Konsumabsturz angekündigt”, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. “Der Rückgang ist äußerst heftig, die hohe Inflation ist zum Konsumkiller geworden.” Die Verbraucherpreise sind im vergangenen Jahr mit 7,9 Prozent so stark gestiegen wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Das nagt an der Kaufkraft der Konsumenten. Die massiven Realeinkommensverluste dürften den Konsum noch lange an der Leine halten, sagte Krüger.

Der schwache Konsum zum Jahresausklang hat erheblich dazu beigetragen, dass Europas größte Volkswirtschaft mit einem Bein in der Rezession steckt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im vierten Quartal überraschend um 0,2 Prozent. Der Grund: Die inflationsgeplagten Verbraucher schränkten ihren Konsum ein.

Im Einzelhandel mit Lebensmitteln sank der Umsatz 2022 mit real 4,6 Prozent so stark wie noch nie seit Beginn dieser Statistik 1994. “Dazu könnte neben den hohen Preissteigerungen für Lebensmittel und der damit einhergehenden Zurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher auch der Wegfall der Corona-Beschränkungen in der Gastronomie geführt haben”, hieß es vom Bundesamt. Einen empfindlichen Rückschlag musste auch der lange boomende Versand- und Internethandel hinnehmen: Dessen Umsatzminus von real 8,5 Prozent fiel überdurchschnittlich aus.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Hans Buseman; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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