Zins-Gespenst vertreibt Anleger an Europas Börsen

Frankfurt (Reuters) – Die wieder hochgekochten Spekulationen auf eine längere Hochzinsphase ziehen Europas Aktienmärkte nach unten.

Nach einem schwachen Wochenauftakt gaben der Dax und der EuroStoxx50 am Dienstag in der Spitze um jeweils knapp ein Prozent auf bis zu 16.476 beziehungsweise 4414 Punkte weiter nach. “Unter den Investoren macht sich jetzt Ernüchterung breit, was die Zinserwartungen anbelangt”, sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. “Sie gehen zwar weiterhin von Zinssenkungen aus, hinterfragen aber immer mehr Zeitpunkte und Anzahl dieser Schritte.”

Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte in Davos, es sei noch zu früh, den Sieg über die Inflation zu verkünden. Donnoch werde die Europäische Zentralbank (EZB) wahrscheinlich in diesem Jahr die Zinsen nach unten setzen. Der erste Schritt nach unten wird bereits im März oder im April erwartet. Die Inflation im Euro-Raum lag im Dezember bei 2,9 Prozent. Die EZB strebt mittelfristig 2,0 Prozent Teuerung in den 20 Ländern der Gemeinschaft an.

Mit Spannung warteten Börsianer auf eine Rede von Fed-Direktor Christopher Waller später am Tag. “Wir erinnern uns, dass Waller dafür verantwortlich war, die Rally der US-Aktien einzuleiten, als er einen definierten Pfad vorgab, auf dem die Fed ihre Geldpolitik lockern könnte”, sagte Chris Weston, Analyst bei Pepperstone. Mittlerweile zeichnet sich aber auch an der Wall Street eine Abschwächung der Erwartungen an schnelle Zinssenkungen ab.

DOLLAR FESTER – EURO GIBT NACH

Die Wetten auf ein länger anhaltendes hohes Zinsniveau stützten die Weltleitwährung. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um 0,6 Prozent auf 103,22 Punkte. Auch die Furcht vor weiteren Angriffen auf Schiffe im Roten Meer mache Anleger risikoscheu, sagte Charu Chanana, Währungsstratege bei Saxo. “Da die Störungen im Roten Meer eskalieren, dürfte auch eine gewisse Nachfrage nach sicheren Häfen im Spiel sein.” Nach dem US-Feiertag am Montag zogen unterdessen auch die Renditen von zehnjährigen US-Anleihen um sechs Basispunkte auf 4,004 Prozent an.

Der Euro gab um 0,6 Prozent auf 1,0884 Dollar nach. Die düsteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft, die im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent geschrumpft ist, belaste den Euro zusätzlich, sagte Jane Foley, Strategin bei der Rabobank. “Angesichts der bevorstehenden Haushaltskürzungen sieht es für die deutsche Wirtschaft im Hinblick auf das Wachstum im kommenden Jahr nicht gut aus.”

Allerdings rechneten die Verbraucher in der Euro-Zone einer EZB-Umfrage zufolge kurzfristig mit einer deutlich geringeren Inflation als zuletzt. Positive Impulse sendete auch der ZEW-Index. Das Barometer für die Einschätzung der Konjunktur im nächsten halben Jahr stieg im Januar überraschend um 2,4 Punkte auf 15,2 Zähler. Damit blicken Börsenprofis so optimistisch auf die deutsche Wirtschaft wie seit fast einem Jahr nicht mehr.

BANKEN UNTER DRUCK

Bei den Einzelwerten schwächelten Banken, da Analysten auf die unsicheren Zinsaussichten hinwiesen. Die Analysten von JPMorgan senkten wegen der erwarteten Zinssenkungen die Gewinnschätzungen für 2025 und 2026. Die Titel der Commerzbank gaben rund fünf Prozent nach und waren damit Schlusslicht im Dax. Am Vortag hatte ein Medienbericht die Aktie angetrieben, demzufolge die Deutsche Bank die Möglichkeit eines Übernahmedeals mit der Commerzbank und ihrer niederländischen Rivalin ABN Amro durchgespielt habe.

Hugo Boss-Aktien rauschten um rund zwölf Prozent nach unten, weil Anleger bei dem Damen- und Herrenausstatter mit einem höheren Gewinn gerechnet hatten. Dagegen griffen Anleger bei Lindt & Spruengli zu. Die Titel des Schweizer Konzerns kletterten um mehr als fünf Prozent, nachdem der Edelschokolade-Hersteller dank höherer Preise den Umsatz im vergangenen Jahr stärker steigerte als erwartet.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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