Luzern (Reuters) – Im Machtkampf um den Schweizer IT-Dienstleister SoftwareOne haben sich die Firmengründer gegen den Verwaltungsrat durchgesetzt. Auf der Generalversammlung am Donnerstag sprach sich die Mehrheit der Anteilseigner für die Neubesetzung des Aufsichtsgremiums aus. Vom bisherigen Verwaltungsrat wurde lediglich Daniel von Stockar wiedergewählt. Neu ziehen in das Gremium vier Kandidaten ein, die von den Gründern vorgeschlagen worden waren. Diese halten selbst 29 Prozent an SoftwareOne. Der bisherige Verwaltungsrat stellte sich daraufhin nicht mehr zur Wahl. Mit dem Wechsel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass SoftwareOne mittelfristig übernommen wird.
“Nach allem, was passiert ist, haben wir das Vertrauen in den Verwaltungsrat verloren”, erklärte von Stockar, der auch zum neuen Präsident gewählt wurde, in einer Rede vor der Abstimmung. Das Unternehmen habe sich seit dem Börsengang 2019 nicht wunschgemäß entwickelt. Um die Firma neu aufzustellen, wollten von Stockar und die beiden anderen Gründer SoftwareOne im vergangenen Jahr zusammen mit dem Finanzinvestor Bain von der Börse nehmen. Doch der Verwaltungsrat lehnte nicht nur ein unverbindliches Angebot von 18,50 Franken je Aktie oder insgesamt 2,9 Milliarden Franken ab, sondern auch eine auf 18,80 Franken erhöhte Offerte. Mitte Januar kam SoftwareOne nach Prüfung der strategischen Optionen zu dem Schluss, unabhängig bleiben zu wollen. Darauf reagierten die Gründer mit dem Vorhaben, den Verwaltungsrat auszutauschen.
Mit einem Anteil von 29 Prozent waren sie damit in einer guten Ausgangslage, obwohl sich die großen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis hinter den bisherigen Verwaltungsrat stellten. Auf der Versammlung kamen die neuen Kandidaten auf 64 Prozent der Stimmen und mehr. Viele insbesondere kleinere Aktionäre nehmen an den Abstimmungen jeweils gar nicht teil. Für die Abwahl waren 50 Prozent der Stimmen notwendig.
Unklar ist, wie es nun weitergeht. Von Stockar erklärte nach der Versammlung, er wolle sich nun bis ungefähr zur Jahresmitte ein Bild vom Unternehmen machen und dann über weitere Schritte entscheiden. Eine Privatisierung oder ein andere Form von Transaktion stehe dabei nicht im Vordergrund. Es sagte aber auch: “Vielleicht gibt es Angebote, vielleicht auch nicht.”
Bain hatte die Vereinbarung mit den Gründern im März aufgelöst und die Übernahmebemühungen seitdem ruhen lassen. Offen ist, ob Bain zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Anlauf zum Kauf der Firma unternimmt. Ein Bain-Sprecher wollte sich nicht äußern. Zwei Großaktionäre hatten ebenfalls im März zur Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass weitere Kaufinteressenten auf den Plan treten könnten, falls sich Bain endgültig zurückziehe. Firmenchef Brian Duffy sagte nach der Generalversammlung, er habe vor, beim Unternehmen zu bleiben. Mit ihren über 9000 Mitarbeitern hilft SoftwareOne Firmen dabei, die Software von anderen Anbietern wie Microsoft, SAP oder Adobe einzukaufen und zu verwalten.
(Bericht von Oliver Hirt, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)