Habeck sieht Anzeichen für konjunkturelle Trendwende

Berlin (Reuters) – Vizekanzler Robert Habeck sieht die deutsche Wirtschaft dank sinkender Inflation, steigender Kaufkraft und höherer Produktion an einem Wendepunkt.

In ihrer Frühjahrsprojektion erhöhte die Bundesregierung die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr leicht auf 0,3 Prozent, nachdem im Februar noch plus 0,2 Prozent vorausgesagt wurden. “Im weiteren Jahresverlauf sehen wir jetzt Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung und dafür, dass sich die Wirtschaft langsam aus der Schwächephase herausbewegt”, sagte Habeck am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der Projektion. 2023 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,3 Prozent geschrumpft. Im kommenden Jahr soll es zu einem Wachstum von 1,0 Prozent reichen.

Habeck sieht trotz der verbesserten Lage keinen Anlass zu Selbstzufriedenheit. “Deutschland ist abgefallen in der Wettbewerbsfähigkeit”, räumte der grüne Wirtschaftsminister ein. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten daher beschleunigt, Bürokratie abgebaut und eine Kapitalmarktunion in Europa geschaffen werden. “Wir haben viel zu tun”, sagte Habeck. Er hält etwa zusätzliche Investitionsanreize für angebracht. Für größere Steuersenkungen sei angesichts strenger Finanzregeln vermutlich kein Spielraum im Haushalt. Gezielte Investitionsanreize könnten daher der richtige Weg sein. Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP verhandelt derzeit über ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des Standorts.

“Leider haben die Unternehmen nach wie vor mit handfesten strukturellen Herausforderungen zu kämpfen – insbesondere den hohen Kosten für Energie, Personal oder der Finanzierung”, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. “Hinzu kommt, dass Deutschland auch im internationalen Vergleich an Boden verliert, nicht zuletzt wegen der hohen Steuerlast und enormer Bürokratiebelastungen.” Auch 2024 werde daher ein schwieriges Jahr. Die DIHK spricht sich etwa für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus, der in der jetzigen Form überwiegend von Unternehmen gezahlt werde. Auch eine Investitionsprämie für Klimaschutzmaßnahmen würde helfen.

STIMMUNG HELLT SICH AUF

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist aktuell so gut wie seit fast einem Jahr nicht mehr: Das Ifo-Geschäftsklima als wichtigster Gradmesser für die Konjunktur stieg im April überraschend stark um 1,5 auf 89,4 Punkte, wie das Münchner Institut zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. “Die Konjunktur stabilisiert sich, vor allem durch die Dienstleister”, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Positive Impulse erwartet Habeck unter anderem vom privaten Konsum. So soll die Inflationsrate in diesem Jahr auf 2,4 und 2025 auf 1,8 Prozent sinken, 2023 lag sie noch bei 5,9 Prozent. “Die Kaufkraft steigt”, sagte der Minister. “Die Menschen haben wieder mehr Geld im Portemonnaie.” Finanzminister Christian Lindner sieht ebenfalls Fortschritte bei der Bekämpfung der Inflation. “Die deutsche Haushaltspolitik ist präzise darauf gerichtet, die Geldentwertung zu stoppen”, sagte der FDP-Politiker. “Die Schuldenbremse hat sich als Inflationsbremse bewährt.”

Strom und Gas kosten nach den Worten Habecks aktuell an der Börse etwa so viel wie vor den Energiepreisschocks. Die Industrie profitiere von dem Trend. “Seit Jahresbeginn ging es bei der Produktion spürbar bergauf – besonders erfreulich ist, dass die energieintensiven Industrien ihre Produktion seit Jahresbeginn wieder ausweiten.” Habeck verwies zudem auf bald erwartete Zinssenkungen sowie steigende Löhne und einen anhaltend stabilen Arbeitsmarkt.

Kurzfristig sei das größte Risiko für die heimische Wirtschaft die Investitionszurückhaltung der Unternehmen. Mittelfristig seien der Fachkräftemangel und die starke Bürokratie große Herausforderungen. Sollte keine Erholung in der Baubranche oder im Maschinenbau erfolgen, würde sich ein richtiger Aufschwung in Deutschland verzögern, warnte Habeck.

(Bericht von Christian Krämer und Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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