Bayer will vom Fußball-Champion lernen – Vorstand treibt Konzernumbau voran

Frankfurt (Reuters) – Der krisengeplagte Bayer-Konzern will den Erfolgen seiner siegreichen Fußball-Werkself nacheifern.

“Es gibt viele Veränderungen und das kann eine große Organisation belasten”, sagte Vorstandschef Bill Anderson am Dienstag zur Quartalsbilanz. Er sei aber “überzeugt, dass Bayer in diesem und in den kommenden Jahren noch viele Erfolge feiern wird – nicht nur auf dem Fußballfeld. Wir sind stolz auf unsere Kollegen von Bayer 04 und freuen uns, dass wir uns ein Beispiel an ihnen nehmen können.” Mit Trainer Xabi Alonso und Sportdirektor Simon Rolfes habe sich der Vorstand vor kurzem zum Mittagessen getroffen. “Wir hatten ein wirklich interessantes Gespräch. Sie hatten Fragen an uns, und wir hatten Fragen an sie. Ich denke, wir können immer von großer Führungsqualität lernen.”

Bayer-Chef Anderson – seit knapp einem Jahr am Ruder – muss den Leverkusener Aspirin-Hersteller aus einer tiefen Krise führen. Sein Vorgänger Werner Baumann hatte Bayer mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto einen schier nicht enden wollenden Rechtsstreit wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters ins Haus geholt und viel Vertrauen verspielt. Seit der Monsanto-Übernahme 2018 hat Bayer rund 70 Prozent an Börsenwert verloren.

Anders Bayer Leverkusen: Unter dem spanischen Trainer Alonso ist die Mannschaft in dieser Saison zum ersten Mal deutscher Meister geworden und hat die elf Jahre währende Siegesserie von Bayern München beendet. Mehr noch: Die Mannschaft blieb in bisher 50 Spielen ungeschlagen und hat sowohl das DFB-Pokal-Finale als auch das Endspiel der Europa League erreicht. Der Werksklub ist vollständig im Besitz der Bayer AG und damit neben dem VfL Wolfsburg (Volkswagen) einer von zwei Bundesliga-Mannschaften im Besitz eines Großkonzerns. Der Verkauf eines Anteils an dem Club, um den hohen Schuldenberg von Bayer abzutragen, sei im Übrigen keine Option, unterstrich Anderson.

3500 STELLEN WENIGER ALS VOR EINEM JAHR

Der Amerikaner treibt seit seinem Amtsantritt im Juni vergangenen Jahres den Umbau von Bayer voran. Einer Aufspaltung des Pharma- und Agrarkonzerns, die manche Investoren gefordert hatten, hatte er fürs erste eine Absage erteilt. Stattdessen will sich Anderson darauf konzentrieren, eine starke Pharma-Pipeline aufzubauen, die rechtlichen Risiken zu reduzieren und die hohe Verschuldung von zuletzt 37,5 Milliarden Euro zu senken. Außerdem hat er ein neues Organisationsmodell eingeführt, das die Bürokratie bei Bayer reduzieren soll und mit einem erheblichen Personalabbau zulasten vieler Führungskräfte verbunden ist. Im ersten Quartal hat Bayer 1500 Stellen abgebaut – rund zwei Drittel davon auf Management-Ebenen – insgesamt sind es gut 3500 weniger als noch vor einem Jahr. Anderson hofft so auf Einsparungen von 500 Millionen Euro in diesem Jahr und zwei Milliarden 2026. Eine Gesamtzahl für den Stellenabbau nennt der Vorstand weiter nicht.

Offen ist unverändert auch, wie Anderson endlich einen Schlussstrich unter die Glyphosat-Klagewelle ziehen will, die Bayer seit sechs Jahren belastet. Zuletzt hatte er nur bekräftigt, dass Bayer alle Möglichkeiten in Betracht ziehe, um die Rechtsstreitigkeiten zu beenden. Finanzchef Wolfgang Nickl sagte, der Konzern sei offen für einen Vergleich, dieser müsse aber wirtschaftlich sinnvoll sein und einen Deckel auf mögliche künftige Fälle setzen. Die Zahl der angemeldeten Glyphosat-Klagen stieg seit Ende Januar um rund 3000 auf insgesamt etwa 170.000, noch stehen für 57.000 Ansprüche Einigungen aus.

Im ersten Quartal schlug sich Bayer trotz eines Umsatz- und Gewinnrückgangs besser als von Analysten erwartet. Der bereinigte operative Gewinn (Ebitda) sank um 1,3 Prozent auf gut 4,4 Milliarden Euro – Analysten hatten mit 4,15 Milliarden gerechnet. Der Umsatz schrumpfte auch wegen negativer Wechselkurseffekte um mehr als vier Prozent auf 13,765 Milliarden Euro, währungsbereinigt stand ein Minus von 0,6 Prozent zu Buche. Bayer bekam vor allem einen Ergebniseinbruch in der Agrarsparte CropScience zu spüren, nachdem der Konzern schon im vergangenen Jahr unter niedrigeren Glyphosatpreisen litt. Diese belasten das Unternehmen weiterhin, aber auch die Nachfrage nach Fungiziden und anderen Herbiziden ging zurück.

Während Bayer im Pharmageschäft zulegen konnte, führten vor allem negative Währungseffekte im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten zu Ergebniseinbußen. Insgesamt musste der Konzern im ersten Quartal negative Währungseffekte von über eine halbe Milliarde Euro verkraften. Bayer bekräftigte zwar sein währungsbereinigtes Jahresziel eines Ergebnisrückgangs von drei bis neun Prozent. Da die Währungsbelastungen zuletzt aber zunahmen, erwartet der Dax-Konzern 2024 nun einen bereinigten operativen Gewinn von 10,2 bis 10,8 Milliarden Euro statt von 10,4 bis 11,0 Milliarden. Im vergangenen Jahr war das Ergebnis bereits um gut 13 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro gefallen.

(Bericht von Patricia Weiß, unter Mitarbeit von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2024binary_LYNXMPEK4D070-VIEWIMAGE

Close Bitnami banner
Bitnami