Erneuter Studienflop bei Merck – Aktie bricht ein

Frankfurt (Reuters) – Die Pechsträhne für Merck in der Arzneimittelforschung nimmt kein Ende.

Bei der Entwicklung eines neuen Krebsmedikaments muss der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern erneut einen herben Rückschlag verkraften: Das Krebsmittel Xevinapant wird in einer entscheidenden klinischen Studie der Phase 3 das primäre Ziel der Untersuchung voraussichtlich nicht erreichen, wie der Konzern am Montagabend mitteilte. Die Studie wird deshalb nicht fortgesetzt, ebenso wie eine weitere Phase-3-Studie mit dem Mittel. Die Aktien fielen am Dienstag im Leitindex Dax um fast elf Prozent auf gut 149 Euro.

Xevinapant zählte zuletzt zu den größten Hoffnungsträgern in der Pharmapipeline von Merck, Vorstandschefin Belen Garijo traute ihm Milliardenumsätze zu. Es ist gegenwärtig neben dem Krebsmittel Pimicotinib der einzige Wirkstoff, der im späten Stadium der Entwicklung steht. Die restliche Pipeline befindet sich in früheren Stadien und ist damit noch weit von einer möglichen Marktzulassung entfernt.

Bei der Entwicklung neuer Medikamente mussten die Darmstädter in den vergangenen Jahren einige Fehlschläge hinnehmen – zuletzt bei dem Mutiple-Sklerose-Mittel Evobrutinib, das im Dezember in der entscheidenden Phase-3-Studie floppte. Diesem Mittel hatte Garijo ebenfalls Umsätze in Milliardenhöhe zugetraut. Die Pharma-Pipeline will sie nun vor allem mit Einlizenzierungen und ergänzenden Zukäufen stärken.

Fondsmanager Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment, die laut LSEG-Daten zu den zehn größten Investoren von Merck gehört, sieht dabei aber auch Risiken. “Die Pharmapipeline ist mittlerweile sehr stark ausgedünnt. Das schürt Sorgen, dass das Akquisitionsbudget in ein überteuertes Biotechunternehmen fließen könnte”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. “In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass man rein mit Einlizenzierungen eine solche schwache Pipeline nicht komplett verändern kann.”

Die Analysten von Jefferies rechnen wegen des Fehlschlags mit einer Wertminderung von 60 Millionen Euro im zweiten Quartal. Merck müsse daran arbeiten, das Pharmageschäft wiederzubeleben und das Wachstum aufrechtzuhalten, insbesondere auch mit Blick auf das Ende des Patentschutzes für das Multiple-Sklerose-Mittel Mavenclad 2026. “Wir sind weiter von Merck überzeugt, räumen aber ein, dass das Unternehmen seine Glaubwürdigkeit in Bezug auf seine Pipeline wiederherstellen muss”, erklärten die Analysten von Barclays.

MERCK HAT LANGE DURSTSTRECKE IM PHARMAGESCHÄFT HINTER SICH

Xevinapant wurde in der Phase-3-Studie in Kombination mit einer Radiochemotherapie an Patienten mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren erprobt. Doch eine Zwischenanalyse der Studie ergab, dass das primäre Ziel einer Verlängerung des ereignisfreien Überlebens der Patienten wohl nicht erreicht wird. Merck betonte, dass es sich um eine schwierig zu behandelnde Tumorart handelt, bei der die Radiochemotherapie seit Jahrzehnten die Standardbehandlung ist.

Die weltweiten Rechte an dem Mittel hatte Merck 2021 von der Schweizer Firma Debiopharm übernommen und dafür eine Vorauszahlung von 188 Millionen Euro geleistet. Zudem waren bis zu 710 Millionen Euro erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen sowie Lizenzzahlungen vereinbart worden. Merck hatte damals auf Phase-2-Studiendaten verwiesen, wonach Xevinapant im Kombination mit einer Radiochemotherapie das Sterberisiko um 51 Prozent gegenüber dem Behandlungsstandard gesenkt hatte.

“Auch wenn wir über diese Ergebnisse enttäuscht sind, halten wir unbeirrt an unserem Anspruch fest, innerhalb unseres Onkologieportfolios bahnbrechende Arzneimittel für Krankheitsgebiete mit hohem ungedecktem Bedarf zu entwickeln”, sagte Danny Bar-Zohar, Leiter Forschung und Entwicklung im Pharmageschäft des Konzerns. Merck beschloss angesichts der Daten allerdings, auch eine weitere Phase-3-Studie mit Xevinapant in Kombination mit Strahlentherapie bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren zu beenden.

Für den Konzern ist es ein weiterer Rückschlag im Pharmageschäft, in dem Merck eine längere Durststrecke hinter sich hat. 2017 konnte das Unternehmen mit der Krebsimmuntherapie Bavencio erstmals seit neun Jahren wieder ein neues Medikament auf den Markt bringen. Insgesamt schafften es in den vergangenen 15 Jahren nur drei Merck-Medikamente bis zur Zulassung – neben Bavencio noch das Multiple-Sklerose-Mittel Mavenclad, ebenfalls 2017, sowie das Krebsmittel Tepmetko 2020.

(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte); patricia.weiss@thomsonreuters.com)

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