Boeing bereit zu Schuldbekenntnis im Fall von 737-MAX-Abstürzen

New York (Reuters) – Der US-Flugzeugbauer Boeing<BA.N> ist bereit, sich im Fall zweier Abstürze von 737-MAX-Maschinen wegen Verabredung zum Betrug schuldig zu bekennen.

Damit würde der Konzern weiteren Untersuchungen des Justizministeriums entgehen, heißt es in einem Dokument, das das US-Justizministerium am Sonntagabend beim Bundesgericht in Texas einreichte. Der vollständige schriftliche Vergleich soll bis zum 19. Juli vorgelegt werden und bedarf der Zustimmung eines Bundesrichters. Sollte es dazu kommen, müsste Boeing eine Strafe von 243,6 Millionen Dollar zahlen. Ein Konzernsprecher bestätigte, dass mit dem Justizministerium eine Grundsatzeinigung über die Bedingungen für eine Lösung erzielt worden sei. Das Verfahren betrifft die Abstürze zweier Maschinen des Typs 737 MAX in Indonesien und Äthiopien 2018 und 2019. Innerhalb von fünf Monaten waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Ihre Angehörigen hatten verlangt, dass Boeing vor Gericht gestellt wird sowie eine härtere Strafe erhält, und kritisierten den geplanten Deal.

Sollte es zu der Vereinbarung kommen, wäre der Konzern wegen eines schweren Verbrechens verurteilt. Zudem müsste er in den kommenden drei Jahren mindestens 455 Millionen Dollar in die Verbesserung seiner Sicherheits- und Compliance-Programme stecken. Außerdem müsste sich der Konzernvorstand mit den Angehörigen der Opfer treffen. Ein unabhängiger Prüfer müsste jedes Jahr einen Fortschrittsbericht vorlegen. Boeing erhielte eine Bewährungszeit von drei Jahren.

Der Deal sei ein “Klaps auf die Finger”, kritisierte Erin Applebaum, Anwältin bei Kreindler & Kreindler LLP, die einige Verwandte der Opfer vertritt. Anwälte einiger Familien erklärten, sie würden Richter Reed O’Connor drängen, die Vereinbarung abzulehnen.

Untersuchungen zu den Abstürzen hatten ergeben, dass die neue Softwarefunktion MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) die Nase der Maschine wiederholt nach unten gedrückt hatte. Den Piloten war es nicht gelungen, das Flugzeug in der Luft zu halten. Nach dem zweiten Absturz verhängte die US-Luftfahrtbehörde FAA ein Flugverbot für die MAX-Flotte von 20 Monaten. Die Maßnahme kostete Boeing 20 Milliarden Dollar.

SCHULDEINGESTÄNDNIS BIRGT FÜR BOEING VORTEIL UND RISIKO

Mit einem Schuldeingeständnis riskiert der Flugzeugbauer zwar, dass ihm weitere lukrative Regierungsaufträge entgehen – etwa vom Verteidigungsministerium oder der Raumfahrtbehörde Nasa. Boeing würde sich aber einen Prozess ersparen, der zahlreiche Konzernentscheidungen, die zu den Abstürzen geführt haben, unter eine noch größere öffentliche Prüfung bringen würde. Es würde dem Konzern, der im Laufe des Jahres einen neuen Chef bekommt, auch die Genehmigung der Übernahme von Spirit AeroSystems<SPR.N> erleichtern.

Im Mai hatte das Justizministerium festgestellt, dass Boeing gegen eine 2021 geschlossene Vereinbarung, zu der eine Strafe von 2,5 Milliarden Dollar gehörte, verstoßen hatte: Der Konzern habe es versäumt, ein Compliance- und Ethikprogramm zu erarbeiten und umzusetzen. Ende Juni hatte das Ministerium Boeing den aktuellen Vergleich angeboten und eine Frist bis Sonntag gesetzt, ihn anzunehmen oder sich einem Prozess wegen Verabredung zum Betrug gegenüber der Luftfahrtbehörde zu stellen. Hierbei wäre es um wissentlich falsche Angaben von Boeing gegenüber der FAA zu einer neuen Software gegangen, mit der durch weniger intensives Piloten-Training Kosten gespart werden sollten.

Der neue Vergleich bezieht sich lediglich auf das Verhalten des Konzerns vor den tödlichen Abstürzen. Er schützt ihn auch nicht vor etwaigen Ermittlungen oder Anklagen im Zusammenhang mit weiteren Vorfällen wie dem im Januar. Damals wurde bei einer Boeing 737 MAX 9 der Alaska AirlinesALK.N kurz nach dem Start ein Teil der Kabinenwand herausgerissen.

(Bericht von: Chris Prentice, Mike Spector, David Shepardson; geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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