Frankfurt (Reuters) – Einer der bisher größten Ausfälle weltweiter IT-Systeme hat am Freitag rund um den Globus für massive Probleme gesorgt.
Betroffen war vor allem der internationale Luftverkehr, aber auch Banken und Medien berichteten von Störungen. Grund war ein Update von IT-Sicherheitssoftware der Firma Crowdstrike<CRWD.O>, das Microsoft<MSFT.O>-Anwendungen zum Absturz brachte. Crowdstrike-Chef George Kurtz entschuldigte sich für die Panne. Der Fehler sei gefunden und behoben worden. “Das ist kein Sicherheitsproblem oder eine Cyberattacke”, betonte er. Der Berliner Flughafen stellte den Flugbetrieb zeitweise ein, auch an zahlreichen anderen Airports im In- und Ausland fielen Verbindungen aus oder waren verspätet. An den Finanzmärkten waren die Auswirkungen ebenfalls zu spüren, teilweise kam es zu Einschränkungen beim Handel. Am Nachmittag liefen viele Systeme wieder, die Nachwirkungen hielten aber an.
Einem Rundschreiben von Crowdstrike zufolge verursachte ein fehlerhaftes Update der eigenen Sicherheitssoftware “Falcon Sensor” Abstürze beim Microsoft-Betriebssystem Windows. In der am Morgen verschickten Mitteilung lieferte die Firma eine Anleitung zur Behebung des Problems. Crowdstrike hat weltweit mehr als 29.000 Kunden, darunter große Technologiefirmen wie Alphabet<GOOGL.O>, Amazon<AMZN.O> oder Intel<INTC.O>. Die Auswirkungen waren auch deshalb so weitreichend, weil Windows das am weitesten verbreitete Betriebssystem ist. “Ich kann mich nicht an einen Ausfall diesen Ausmaßes erinnern”, sagte Tech-Experte Ciaran Martin, Professor an der Oxford University. “Das ist sehr, sehr, sehr, sehr groß.”
FLUGVERKEHR UND FINANZBRANCHE BEEINTRÄCHTIGT
“Wir entschuldigen uns für die Probleme, die wir bei Kunden, Reisenden und allen Betroffenen, einschließlich unseres Unternehmens, verursacht haben”, sagte Crowdstrike-Chef Kurtz im US-Sender NBC News. Bei vielen werde das System schnell wieder betriebsbereit sein. “Bei einigen Systemen, die sich nicht automatisch wiederherstellen lassen, könnte es einige Zeit dauern.” An der US-Technologiebörse Nasdaq brachen die Crowdstrike-Aktien um knapp 14 Prozent ein. Die Titel der Konkurrenten Palo Alto Networks<PANW.O> und SentinelOne<S.N> konnten zulegen.
Am stärksten betroffen war der Flugverkehr. Am Flughafen Berlin wurden die Flüge am Vormittag wieder aufgenommen nL8N3JB0J2, es kam aber noch länger zu Verzögerungen. Die Schweizer Flugsicherung reduzierte als Vorsichtsmaßnahme die Zahl der Flugbewegungen im dortigen Luftraum. Am Airport Madrid saßen Hunderte Fluggäste fest und warteten auf Informationen über ihre jeweiligen Flüge. Wie der Betreiber Aena<AENA.MC> mitteilte, musste der Check-in manuell abgewickelt werden. Über Probleme berichteten auch Ryanair<RYA.I>, US-Fluggesellschaften wie American Airlines<AAL.O> oder Delta Airlines<DAL.N> und die australische Qantas.
Auch in der Finanzwirtschaft waren die Auswirkungen zu spüren. Bei Australiens größtem Geldhaus Commonwealth Bank<CBA.AX> konnten einige Kunden den Angaben zufolge keine Überweisungen tätigen. Auch deutsche Institute hätten technische Schwierigkeiten, teilte der Branchenverband mit. Der Versicherer Allianz<ALVG.DE> gab auf Anfrage bekannt, dass sich Beschäftigte nicht in ihre Rechner einloggen nL8N3JB0M0 könnten. Bei der London Stock Exchange (LSEG)<LSEG.L> fiel die Nachrichten- und Datenplattform Workspace nL8N3JB0K6 vorübergehend aus, über die auch Reuters-Nachrichten an die Finanzmärkte verbreitet werden. Ein Händler in London sagte, mehrere Handelsplattformen hätten Probleme, sodass einige Kunden nicht handeln könnten. “Wir haben die Mutter aller weltweiten Marktausfälle.” Evonik<EVKn.DE> und Bayer<BAYGn.DE> sprachen von begrenzten Auswirkungen.
KRANKENHÄUSER UND OLYMPISCHE SPIELE
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sagte alle nicht dringend notwendigen Operationen nL8N3JB0JH ab und schloss seine Ambulanzen. In Großbritannien konnte der Nachrichtenkanal Sky News zeitweise nicht senden. Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele, die in wenigen Tagen beginnen, musste nach eigenen Angaben auf Notfallpläne zurückgreifen nL8N3JB0KM. Details nannte es allerdings nicht.
Welche Auswirkungen die globale Technik-Störung für die Wirtschaft hat, ist noch nicht klar. “Die Gesamtkosten für die Industrie werden davon abhängen, wie lange die Störung anhält”, sagte Susannah Streeter, Leiterin Geld und Märkte bei der Investmentgesellschaft Hargreaves Lansdown. Angesichts des Ausmaßes des Problems weltweit sei es jedoch wahrscheinlich, dass es zu Verlusten in Milliardenhöhe führen könnte, wenn die Situation nicht rasch unter Kontrolle gebracht werde.
(Bericht von Hakan Ersen; unter Mitarbeit von Klaus Lauer, Tom Sims und Matthias Inverardi; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)