Angst vor Totalverlust – Varta-Aktie bricht um 73 Prozent ein

München (Reuters) – Ausverkauf bei Varta: Aus Angst vor einem drohenden Totalverlust laufen dem Batteriehersteller die Aktionäre in Scharen davon.

Die Papiere brachen an der Börse am Montag um 73 Prozent auf 2,80 Euro ein, nachdem das Unternehmen aus Ellwangen ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet hat, bei dem die Aktionäre praktisch enteignet würden. Die Analysten von M.M. Warburg setzten das Kursziel auf Null. Am Freitag war das Unternehmen an der Börse noch 440 Millionen Euro wert. Nach der Sanierung soll Varta dem Plan zufolge entweder einem Konsortium um den bisherigen österreichischen Großaktionär Michael Tojner und den Sportwagenbauer Porsche gehören – oder seinen Gläubigern, die im Gegenzug auf einen Teil der Kredite und Schuldscheine verzichten würden.

Das angeschlagene Unternehmen sucht händeringend Lösungen, um seine Schuldenlast von fast einer halben Milliarde Euro zu reduzieren. Zwei Vorschläge dazu lägen auf dem Tisch, sagte der als Sanierer im Mai zu Varta gekommene Vorstandschef Michael Ostermann: einer von Tojner und Porsche, der andere von den Gläubigern. Welche der beiden Lösungen zum Tragen komme, sei noch offen, sagte Ostermann. “Am Ende ist mir wichtig, dass wir eine gute Lösung für die Varta haben.” In beiden Fällen gingen die bisherigen Aktionäre mit einem Kapitalschnitt leer aus.

In Finanzkreisen wurde aber Unmut laut: Der Vorschlag der Gläubiger liege seit Monaten auf dem Tisch, ohne dass das Unternehmen darauf reagiert habe. Die Lösung mit Porsche und Tojner begünstige den Großaktionär einseitig und biete den Banken und den Hedgefonds, die sich in die Kredite eingekauft haben, kaum Anreize zuzustimmen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Sie wollten – zumindest vorübergehend – die Schulden in Eigenkapital tauschen. Die Gläubiger seien aber zu einer konstruktiven Lösung bereit.

Varta braucht nach Angaben von Ostermann eine hohe zweistellige Millionensumme an frischem Kapital, um von den Gutachtern eine positive Fortführungsprognose zu erhalten. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Varta eine Insolvenz abwenden kann. Porsche will sich mit dem finanziellen Engagement bei Varta die Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterien sichern, die im nächsten Porsche 911 GTS eingesetzt werden sollen, der Ende des Jahres auf den Markt kommt. Porsche hatte bereits signalisiert, die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive zu übernehmen, die diese Batterien herstellt. Darüber hinaus gab sich die VW-Tochter vorsichtig: “Unter bestimmten Umständen könnten wir uns vorstellen, uns auch an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG insgesamt zu beteiligen”, erklärte der Autobauer. Die Gespräche dazu liefen aber noch.

Grund für die Schieflage sind laut Ostermann Investitionen aus den Jahren 2021 und 2022, die sich bisher nicht ausgezahlt hätten – in die großen Lithium-Ionen-Batterien, aber auch in die Mini-Akkus für Kopfhörer. V4Drive war der große Hoffnungsträger für Varta, entpuppte sich aber als Belastung, nachdem weitere Aufträge neben Porsche ausblieben.

Varta will für die Sanierung die seit drei Jahren geltenden Regeln des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) nutzen. Der Antrag auf das Sanierungsverfahren sei noch am Sonntagabend beim Amtsgericht Stuttgart eingereicht worden, sagte ein Sprecher. Mit dem StaRUG-Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Insolvenz rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger ausgehebelt werden, eine Zustimmung der Aktionäre ist nicht nötig. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Dort verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß.

(Bericht von Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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