Bahn fährt Milliarden-Verlust ein – Fernverkehr in der Krise

– von Markus Wacket

Berlin (Reuters) – Die Deutsche Bahn hat im ersten Halbjahr 2024 Konzernunterlagen zufolge einen Verlust von über einer Milliarde Euro eingefahren.

Das Minus inklusive der Zinszahlungen des hoch verschuldeten Konzerns lag bei 1,2 Milliarden Euro, wie aus Papieren hervorgeht, die Reuters am Mittwoch vorlagen. Allein im operativen Geschäft (Ebit) belief sich der Verlust auf 680 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte die Bahn hier noch einen Gewinn von rund 330 Millionen Euro erzielt. Ein großer Teil des Verlustes entfällt auf das marode Netz, in das Milliardensummen fließen. Zum Teil ist die Bahn allerdings in Vorleistung für den Bund gegangen, der die Netz-Investitionen hauptsächlich zahlen muss. Sie erwartet daher erhebliche Rückzahlungen in diesem Jahr. Das Unternehmen selbst wollte sich nicht äußern und verwies auf die Pressekonferenz am Donnerstag.

Bahnchef Richard Lutz hatte nach dem Betriebsverlust 2023 von fast einer Milliarde Euro für das Gesamtjahr 2024 wieder einen Betriebsgewinn von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. Dieser kann nur mit den Rückzahlungen des Bundes erreicht werden.

Denn außer dem Netz stecken fast alle anderen Geschäftsfelder des Unternehmens in Deutschland immer tiefer in den roten Zahlen. Die Güterbahn DB Cargo verlor den Unterlagen zufolge Umsatz und der Betriebsverlust erhöhte sich auf 260 Millionen Euro. Neben der seit Jahren kriselnden Güterbahn spitzt sich auch die Lage beim Fernverkehr mit ICE- und IC-Zügen zu. Er weist einen Verlust von rund 230 Millionen Euro aus. Das spiegelt sich auch in schrumpfenden Erlösen wider. Im Gesamtkonzern wurden den Papieren zufolge Einnahmen von 22,3 Milliarden Euro verzeichnet, im ersten Halbjahr 2023 waren es noch fast 25 Milliarden gewesen.

FERNVERKEHR IM KRISENMODUS

Der Fernverkehr leidet bereits seit Jahren unter schwindender Pünktlichkeit, schien sich aber mit rasant steigenden Passagierzahlen von der Corona-Krise zu erholen. Doch inzwischen steht er von mehreren Seiten unter Druck: Zum einen trafen ihn im Frühjahr die Lokführer-Streiks, zum anderen ebbt der Passagierzuwachs ab.

Dem Fernverkehr macht vor allem das Monats-Deutschlandticket zu schaffen. Auf vielen Verbindungen fahren Regionalzüge – in denen das Deutschlandticket gilt – und ICE oder IC fast parallel. Pendler, die etwa eine Monatskarte für den Fernverkehr haben, steigen so auf das 49-Euro-Ticket um und nehmen etwas längere Fahrzeiten in Kauf.

Die Sparte reagiert jetzt: Man werde das “Angebot neu justieren und an die geänderten Rahmenbedingungen im Markt anpassen”, heißt es in einem Reuters vorliegenden Strategiepapier. So wolle man im Fernverkehr auf die schrumpfende Pendler-Zahl und die Konkurrenz des Deutschlandtickets im Nahverkehr reagieren. In den Regionen wolle man nur noch ein verlässliches Grundangebot fahren – “wo immer es wirtschaftlich tragfähig ist”. Dies ist derzeit dem Papier zufolge bei den meisten Strecken nicht der Fall: 60 Prozent aller Verbindungen schrieben Verluste, vor allem im Flächennetz. Angedeutet werden zudem höhere Preise: Den Umsatz wolle man mit neuen Passagieren, aber auch über “Tarifkonditionen” in diesem Jahr steigern.

Von den Bahn-Sparten schreibt so allein die internationale Spedition Schenker nennenswert schwarze Zahlen. Sie erzielte im ersten Halbjahr einen Betriebsgewinn von gut 500 Millionen Euro, aber auch dies waren 100 Millionen Euro weniger als im Vorjahreszeitraum.

Das Unternehmen soll allerdings verkauft werden, die erwarteten Erlöse von um die 15 Milliarden Euro sollen vor allem die Schulden des Konzerns reduzieren. Diese haben Konzernkreisen zufolge die Grenze von 35 Milliarden Euro überschritten. Insidern zufolge wird sich das Rennen um Schenker zwischen der dänischen Spedition DSV sowie einer Investorengruppe um CVC entscheiden.

(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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