Montreal (Reuters) – Der verlustreiche US-Flugzeugriese Boeing holt sich angesichts seiner Qualitätsprobleme und der Schwierigkeiten im Rüstungsgeschäft Hilfe bei einem alten Haudegen aus der Branche.
Neuer Chef wird Kelly Ortberg, der jahrelang an der Spitze des Luftfahrt- und Rüstungsuulieferers Rockwell Collins gestanden und bis zu seinem Ruhestand vor drei Jahren für den Rockwell-Eigentümer RTX (ehemals Raytheon) gearbeitet hatte. Der 64-Jährige trete seinen Posten am Donnerstag kommender Woche (8. August) an, teilte Boeing am Mittwoch mit. Er wird Nachfolger von Dave Calhoun, der angesichts der Dauer-Negativschlagzeilen um Qualität und Sicherheit im März seinen Rücktritt angekündigt hatte.
Auf Ortberg wartet bei Boeing nicht nur die Aufgabe, das strauchelnde Geschäft mit Verkehrsflugzeugen auf Vordermann zu bringen und den Hochlauf der Produktion zu managen. Er muss sich auch um das Raumfahrt- und Rüstungsgeschäft kümmern, das unter Preissteigerungen leidet und Verluste anhäuft. “Es ist viel Arbeit zu tun, und ich freue mich darauf, loslegen zu können”, erklärte Ortberg am Mittwoch. “Während seiner Zeit bei Collins war er bei Beschäftigten und direkten Mitarbeitern sehr beliebt und sehr nahbar”, schrieben die Analysten von Jefferies zuletzt zu Ortberg. Er gelte als harter Verhandler.
Ortberg stach damit den Vorstandschef des Zulieferers Spirit AeroSystems, Patrick Shanahan, aus, der als Favorit für die Nachfolge von Calhoun galt. Spirit steht vor der Übernahme durch Boeing.
An der Börse kam der Wechsel gut an: Die Aktien legten im vorbörslichen US-Handel um 2,5 Prozent zu. Wenn es dabei nach der Eröffnung bleibt, sind die Anteilsscheine mit 191 DOllar so teuer wie seit Anfang Juni nicht mehr.
AUSLIEFERUNGEN BRECHEN EIN
Boeing kämpft mit einer Reputationskrise nicht erst seit sich Anfang des Jahres in einer Boeing 737 MAX-9 von Alaska Airlines mit 171 Passagieren an Bord mitten im Flug ein Teil der Kabinenwand gelöst hatte. Seither hat die US-Luftfahrtaufsicht FAA die Vorgaben für Boeing nochmals verschärft. So darf der Airbus-Rivale monatlich nur 38 737-MAX-Flugzeuge bauen. Unklar ist, wie lange diese Begrenzung gilt. Zeitweise produzierte Boeing wochenlang deutlich weniger dieser Maschinen.
Im zweiten Quartal lieferte Boeing 92 Flugzeuge aus, ein Drittel weniger als vor Jahresfrist. Das Unternehmen steckt tief in den roten Zahlen, der Verlust verzehnfachte sich auf rund 1,4 Milliarden Dollar. Abgesehen vom Geschäft mit Verkehrsflugzeugen steckt auch das Rüstungsgeschäft in Schwierigkeiten. Die Sparte verlor in den vergangenen beiden Jahren Milliarden, weil sie Verträge zu Festpreisen geschlossen hatte und Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen nicht an die Kunden weiterreichen konnte. Zuletzt kündigte das Unternehmen an, den Kurs zu ändern.
(Bericht von Abhijith Ganapavaram und Allison Lampert, geschrieben von Christina Amann. Redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)