Conti halbiert sich – Autozuliefer-Sparte soll an die Börse

– von Alexander Hübner und Ilona Wissenbach

München/Frankfurt (Reuters) – Der Reifen- und Autozuliefer-Konzern Continental will sich halbieren.

Das schwankende und margenschwache Geschäft mit mechanischen und elektronischen Teilen für die Autoindustrie soll bis Ende kommenden Jahres abgespalten und an die Frankfurter Börse gebracht werden, wie Continental am Montag in Hannover mitteilte. Der Spin-off des Automotive-Bereichs, der für die Hälfte des Umsatzes und der Belegschaft steht, werde bereits vorbereitet, die endgültigen Weichen sollen im Herbst gestellt werden. Im Konzern bleibt das lukrative Reifengeschäft, die Kunststoff- und Kautschuk-Sparte ContiTech soll noch stärker auf Kunden aus der Industrie ausgerichtet werden. Noch vor acht Monaten hatte sich der Conti-Vorstand zur bisherigen Struktur bekannt.

“Keiner weiß heute, welche Fahrzeuge er in drei, vier Monaten produziert, weil die Nachfrage so unsicher ist. Wir müssen uns sehr, sehr stark und schnell daran anpassen können”, begründete Vorstandschef Nikolai Setzer die Kehrtwende. Die schrumpfende Autoindustrie sowie das Hin und Her um die Umstellung zur Elektromobilität verstärkten den Wettbewerbs- und den Kostendruck. “In diesem halben Jahr ist viel passiert. Diese Veränderungsgeschwindigkeit haben wir so nicht gesehen”, räumte er ein. In dieser Situation gehe es darum, Probleme schnell zu lösen – das sei in einer kleineren Einheit einfacher.

“LETZTE AUSFAHRT VOR DER SACKGASSE”

Viele Autozulieferer ächzen unter dem Dilemma, dass die Stückzahlen und die Margen unter Druck geraten und sie zugleich in die E-Mobilität investieren müssen. Auch der Branchenriese ZF Friedrichshafen hat einen massiven Stellenabbau in Deutschland angekündigt. In der Branche häufen sich Insolvenzen. Die Arbeitnehmervertreter von Conti und die Gewerkschaften IG Metall und IG BCE sprachen in einer gemeinsamen Stellungnahme von der “letzten Ausfahrt vor der Sackgasse”. “Es muss jetzt oberste Priorität sein, den Beschäftigten so schnell wie möglich klare Perspektiven und belastbare Ziele aufzuzeigen.”

Continental würde damit praktisch halbiert: Die Sparte Automotive kam 2023 auf 20,3 Milliarden Euro Umsatz und rund 100.000 Mitarbeiter, das verbleibende Reifen- und Kunststoff-Geschäft (ContiTech) auf 20,8 Milliarden Umsatz und eine ähnliche Mitarbeiterzahl. Conti kämpft im Autozuliefer-Geschäft, dessen Portfolio von Bremsen über Sensoren und Assistenzsysteme bis Displays reicht, mit schwachen Margen. Die Sparte lieferte 2023 eine operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge) von weniger als fünf Prozent ab, dagegen kam das Reifengeschäft auf mehr als 18 und ContiTech auf mehr als zehn Prozent. ContiTech soll künftig allenfalls zu einem kleinen Teil Geschäfte mit der Autoindustrie machen.

Unter dem Strich ist es dem Automotive-Geschäft seit 2018 nicht mehr gelungen, schwarze Zahlen zu erwirtschaften. Bei den Plänen, dort eine mittlere vierstellige Zahl von Stellen zu streichen, werde es deshalb bleiben, sagte Setzer. Die geplante Ausgliederung des Display-Geschäfts (“User Experience”) werde aber auf Eis gelegt. Aus diesem Bereich kommt der für Automotive zuständige Vorstand Philipp von Hirschheydt, der das ausgegliederte Unternehmen leiten soll. In der Autobranche könne man nicht mehr von Transformation, sondern schon von Disruption sprechen, sagte Hirschheydt. Die Konsequenz: “Wir müssen sehr viel schneller neue Produkte entwickeln.” Dabei könnten auch Partnerschaften helfen.

An der Börse kamen die Pläne gut an: Die Conti-Aktie hielt sich mit einem Minus von 0,4 Prozent mit am besten in einem schwachen Markt. Die Probleme in der Autozuliefer-Sparte hätten bisher eine gute Reifenfirma verdeckt, schrieben die Analysten von Bernstein. Allerdings schrumpften auch bei Reifen seit 2016 die Margen – führend sei Conti hier längst nicht mehr.

ZURÜCK ZU DEN WURZELN IN RHEIN-MAIN

Continental hat schon einen Zeitplan: Der Aufsichtsrat sei am Montag informiert worden, im vierten Quartal soll auf Basis einer genaueren Prüfung die endgültige Entscheidung fallen. Die Hauptversammlung am 25. April 2025 könnte über die Aufspaltung entscheiden – wohl eine Formsache. Conti-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle stellte sich hinter den Plan: “Ein Spin-off von Automotive birgt das Potenzial, Wettbewerbschancen, Agilität und Transparenz zu erhöhen.” Bis Ende 2025 wären dann zwei getrennte Gesellschaften börsennotiert. Die abgespaltene Firma soll ihren Sitz im Raum Frankfurt haben – dort liegen mit der ehemaligen Teves (Bremsen) und der VDO (Tachometer) auch ihre Wurzeln. Der Name Continental bleibt dem verbleibenden Konzern vorbehalten.

Setzer schloss Alternativen zu einem Börsengang nicht aus. Dieser sei “die präferierte Option”, sagte der Vorstandschef. Die Bilanz des Autozulieferers solle so aufgestellt werden, dass es kapitalmarktfähig sei. Die Continental-Aktionäre bekämen die Anteile des neuen Unternehmens ins Depot gebucht. Die Familie Schaeffler, Mehrheitseigentümerin des gleichnamigen fränkischen Autozulieferers, hielte damit – wie an Continental – 46 Prozent der Anteile.

Für Conti ist es nicht die erste Abspaltung: Vor knapp drei Jahren hatte der Konzern seine ertragsschwache Antriebssparte als Vitesco an die Börse gebracht. Anfang 2024 wurde das Unternehmen – zu einer deutlich höheren Bewertung – ganz an die Schaeffler AG verkauft. Zum 1. Oktober sollen die beiden Unternehmen formal verschmolzen werden.

(Bericht von Ilona Wissenbach und Alexander Hübner; redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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