US-Rezessionsängste bringen Börsen zum Absturz

Frankfurt (Reuters) – Die Angst der Anleger vor einem Abschwung der US-Wirtschaft hat die Börsen am Freitag auf Talfahrt geschickt.

Ein überraschend langsamer Stellenaufbau und eine steigende Arbeitslosigkeit im Juli brachten das Thema Rezession zurück in die Handelsräume. Ebenso verunsicherte die sich schneller drehende Eskalationsspirale im Nahen Osten und die zunehmende Kriegsgefahr in der Krisenregion die Investoren. Der VIX-Index, der die Volatilität des US-Aktienmarkts misst und als Angstbarometer der Wall Street gilt, stieg auf den höchsten Wert seit Oktober 2023.

Anleger weltweit warfen Aktien aus den Depots: der deutsche Leitindex Dax rutschte unter die im Mai eroberte psychologisch wichtige 18.000-Punkte-Marke und fiel am Nachmittag bis zu 2,3 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 17.667 Punkten. Der EuroStoxx50 verlor ebenso stark. Die großen US-Indizes tauchten um bis zu 2,5 Prozent ab. Enttäuschende Quartalsberichte der US-Technologieriesen Apple, Amazon und Intel schlugen Investoren in dem hoch bewerteten Sektor in die Flucht.

ZWISCHEN ZINSHOFFNUNG UND REZESSIONSANGST

Ein schwacher US-Arbeitsmarktbericht schürte die Ängste vor einer Rezession in den USA im späteren Jahresverlauf. Im Juli kamen nur 114.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu. Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit 175.000 gerechnet. Die separat ermittelte Arbeitslosenquote stieg im Juli überraschend auf 4,3 Prozent. “Dies spricht dafür, dass sich die US-Notenbank künftig mehr um das Beschäftigungs- als um das Inflationsziel kümmern wird”, sagten die Ökonomen der Commerzbank. Gleichzeitig scheine eine Zinssenkung im September nun “in Stein gemeißelt”, meinte Ökonom Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg. Die Frage sei lediglich noch, wie stark diese ausfallen werde. Die Abkühlung des Arbeitsmarkts gilt der Notenbank als eine wichtige Voraussetzung, um ihr Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation dauerhaft zu erreichen.

Am Rohstoffmarkt setzten Nachfragesorgen die Ölpreise unter Druck. Die Preise für die Sorten Brent und WTI verbilligten sich um bis zu 2,2 Prozent. Am Devisenmarkt tauchte der US-Dollar ab. Der Dollar-Index, der die Devise zu anderen wichtigen Währungen misst, fiel um 0,9 Prozent auf 103,41 Punkte. Gleichzeitig legten sich die Anleger die als sicherer Hafen geltenden Anleihen in die Depots. Die Rendite der US-Treasuries sank im Gegenzug auf 3,866 Prozent nach 3,978 Prozent. Das in Krisenzeiten begehrte Gold glänzte zudem heller. Der Preis für das Edelmetall stieg um 1,3 Prozent auf 2477 Dollar je Feinunze.

ANLEGER ZIEHEN REISSLEINE BEI TECH-WERTEN – INTEL CRASHEN

Am Aktienmarkt zogen enttäuschende Zahlen der US-Konzerne Technologie-Werte nach unten. Der europäische Branchenindex fiel um mehr als fünf Prozent und damit so stark wie seit März 2022 nicht mehr. “Wenn immer noch hohe Erwartungen auf nervöse Anleger treffen, reicht schon das berühmte Haar in der Suppe, um Verkaufsdruck aufkommen zu lassen”, sagte Stratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Vor allem die KI-getriebenen Kursgewinne im Tech-Sektor hatten die US-Börsen in den vergangenen Monaten maßgeblich von Rekord zu Rekord eilen lassen. Die Aktien des Chip-Konzerns Intel brachen am Freitag um mehr als 25 Prozent ein und markierten ein Elf-Jahres-Tief. Anleger flüchteten angesichts geplanter Massenentlassungen und Dividendenstreichungen. Analysten stellten die Fähigkeit des Unternehmens in Frage, mit der taiwanesischen TSMC und anderen Chipherstellern mitzuhalten. “Intels Probleme nähern sich unserer Ansicht nach dem Existenziellen”, sagte Bernstein-Analyst Stacy Rasgon.

Mit Enttäuschung reagierten Anleger auch auf den Ausblick von Amazon, dessen Aktien um neun Prozent abtauchten. Auf die Stimmung drückten der schwächelnde Online-Handel sowie die hohen Kosten für den Auf- und Ausbau von Rechenkapazitäten für Künstliche Intelligenz (KI).

Zu den größten Dax-Verlierern zählen Siemens Energy und RWE mit Abschlägen von 7,4 und 6,7 Prozent.

(Bericht von Anika Ross, Zuzanna Szymanska, Mitarbeit von Hakan Ersen, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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