Berlin (Reuters) – Führende Ökonomen haben den geplanten Staatseinstieg zur Rettung der Meyer Werft kritisiert.
“Es ist nicht die Aufgabe des Staates, angeschlagene Privatunternehmen vor der Insolvenz zu retten”, sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer äußerte sich skeptisch, weil Staatsbeteiligungen oft zu lange gehalten würden – wie im Falle der Commerzbank etwa. Die Bundesregierung verteidigte dagegen ihre Pläne. In einer strukturschwachen Region solle der Standort Papenburg samt Jobs und der Kompetenz im Schiffbau erhalten bleiben, so Wirtschaftsminister Robert Habeck in Berlin.
“Wenn das Geschäftsmodell aussichtsreich ist, werden sich private Investoren finden”, argumentierte Fuest. Wenn der Staat einsteige, bestehe die Gefahr, dass Verluste auf die Steuerzahler abgewälzt würden. “Staatliche Rettungen kann man allenfalls in Situationen gesamtwirtschaftlicher Krisen rechtfertigen, in denen Kapitalmärkte gestört sind.” Das sei derzeit aber nicht gegeben. Der Umstand, dass Meyer auch Kriegsschiffe baue, könne allenfalls eine Stützung dieses Teils rechtfertigen – nicht aber die Förderung der Produktion von Kreuzfahrtschiffen. “Falls die Bundesregierung der Werft trotz dieser Einwände hilft, ist zumindest darauf zu achten, dass die vorhandenen Verluste der Werft von den Aktionären und den Banken getragen werden, nicht vom Staat. Besser wäre es allerdings, wenn die Bundesregierung nicht eingreifen würde.”
Der Bund und das Land Niedersachsen wollen vorübergehend die Mehrheit an dem Traditionskonzern übernehmen. Kanzler Olaf Scholz hatte dem weltgrößten Kreuzfahrtschiffbauer am Donnerstag die Rettung durch den Staat zugesagt. “Wir lassen die Meyer Werft nicht allein.” Bis Mitte September soll die Einigung in trockenen Tüchern sein. Noch fehlen die Zustimmung des Bundestages und der EU-Kommission.
VOLLE AUFTRAGSBÜCHER – ABER KEIN GELD
Die Auftragsbücher der Werft sind in den vergangenen Monaten auf elf Milliarden Euro angeschwollen. Die Kunden zahlen in der Regel 20 Prozent an, der Rest wird erst bei der Übergabe fällig. Die Werft muss also die Baukosten der Schiffe vorfinanzieren, normalerweise aus den Anzahlungen. Meyer waren aber die Corona-Jahre zum Verhängnis geworden, in denen es kaum noch Neuaufträge gab.
Schnitzer schrieb auf der Kurznachrichten-Plattform X, Staatsbeteiligungen sollten entweder strategisch bedeutsam oder sicherheitsrelevant sein. Es werde sonst oft Einfluss genommen, ausgerichtet an den kurzfristigen Interessen der Beschäftigten, nicht der langfristigen Überlebensfähigkeit von Unternehmen.
Grünen-Politiker Habeck sagte, es sei in schwierigen Zeiten für das Unternehmen intensiv an einer Lösung gefeilt worden. “Wir sind weit, weit vorangekommen.” Er sei optimistisch, dass am Ende ein Erfolg stehe und der Standort erhalten bleiben könne.
Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) teilte mit, angesichts der klaren Zusagen der Politik dankbar und erleichtert zu sein. “Wir hoffen, dass die finalen Entscheidungen insbesondere in den Parlamenten schnell und positiv getroffen werden”, sagte VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken.
(Bericht von Rene Wagner und Christian Krämer.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)