München (Reuters) – Die Finanzaufsicht BaFin geht mit den Lebensversicherern in Deutschland hart ins Gericht.
Viele Policen seien zu teuer und entsprächen nicht den Bedürfnissen ihrer Kunden, kritisierte die neue Chefin der Versicherungsaufsicht, Julia Wiens, am Dienstag auf einer “Handelsblatt”-Veranstaltung in Düsseldorf. “Lebensversicherungen sollen den Absicherungsbedürfnissen und den Renditeerwartungen der Kundinnen und Kunden gerecht werden. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es aber leider nicht.” Hohe Kosten schmälerten vielfach die Rendite der Produkte.
BaFin-Exekutivdirektorin Wiens drohte den Lebensversicherern und deren Managern mit Konsequenzen: “Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten untersagen oder Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht.”
Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist vor allem ein Dorn im Auge, wenn die Lebensversicherer ihren Kunden zu hohe Kosten aufbürden oder ihre Stornoquoten in den ersten Jahren ungewöhnlich hoch sind. Besonders negativ aufgefallen seien ihr 13 der rund 90 deutschen Lebensversicherer, sagte Wiens. Sie stünden immerhin für mehr als 20 Prozent des Marktes. “Und weitere werden folgen.” Diese Anbieter hielten sich offenbar nicht an die Vorgaben der BaFin zum Umgang mit den Kunden. “Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht.” Sie müssten beim Kundennutzen ihrer Produkte dringend nachbessern.
Die BaFin habe bereits Druck gemacht: “Wir können handeln. Und das tun wir auch”, sagte Wiens. Einige Produkte seien vom Markt genommen worden, bei anderen hätten die Anbieter die Kosten im Bestand gesenkt oder den Versicherten rückwirkend Kompensationsmaßnahmen angeboten. Der Branchenverband GDV erklärte, die Verbraucher müssten Vertrauen in das Preis-Leistungs-Verhältnis von Lebens- und Rentenversicherungen haben können. Dafür gebe es aber umfassende Informationspflichten, sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Missstände macht die BaFin vor allem an zwei Kennziffern fest. Zum einen seien die Effektivkosten vielfach zu hoch. Sie resultieren vor allem aus den hohen Abschlussprovisionen, die die Lebensversicherer den Kunden vor allem in den ersten Jahren aufbürden. Sie müssten aus ihren Kapitalanlagen teilweise erst vier Prozent Rendite erwirtschaften, damit die Kunden auf eine positive Verzinsung kämen – vor allem wenn ein großer Teil der Kunden vorzeitig kündige. “In dem gegenwärtigen Marktumfeld erscheint das sehr ambitioniert”, teilte die Behörde mit. Wenn die Stornoquoten in den ersten Jahren besonders hoch seien, spreche auch viel dafür, dass die Produkte an die falschen Kunden verkauft worden seien. Die Mehrheit von ihnen müsse beim Ausstieg hohe Verluste in Kauf nehmen.
Asmussen rechtfertigte die Praxis beim vorzeitigen Ausstieg: “Abschläge für frühe Kündigung bewahren das Versichertenkollektiv davor, die Rechnung dafür zu zahlen.”
Für “mehr als fragwürdig” hält die BaFin bei fondsgebundenen Policen Rückvergütungen der Fondsgesellschaften an die Vertriebspartner. “Diese Rückvergütungen sind ein Zubrot – finanziert von den Kundinnen und Kunden”, kritisierte Wiens. Diesen Zusatzkosten stehe kein angemessener Mehrwert gegenüber.
(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)