– von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz
Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) – Der Konzernbetriebsrat von Thyssenkrupp fordert angesichts der Krise beim größten deutschen Stahlkonzern ein Einschreiten des Staates.
“Die Politik auf Bundes- und Landesebene ist jetzt gefordert und muss eingreifen”, erklärte Betriebsratschef Tekin Nasikkol am Freitag. Keiner könne jetzt tatenlos zusehen, wie die Transformation zu einer grünen Stahl-Produktion und Fördergelder in Höhe von zwei Milliarden Euro gefährdet würden. Die rund 27.000 Mitarbeiter von Thyssenkrupp Steel Europe bangten um ihre Zukunft. “Die Verunsicherung in der Belegschaft ist maximal groß.” Die IG Metall forderte eine Sondersitzung des Konzernaufsichtsrats.
“Die Situation bei Thyssenkrupp hat sich auf allen Seiten sehr unversöhnlich zugespitzt. Das ist kein guter Zustand”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Alle Beteiligten müssten dafür sorgen, dass das Unternehmen jetzt schnell in ruhiges und stabiles Fahrwasser komme. Bund und Land hätten konkrete Unterstützung zur Sicherung des Stahlstandortes Duisburg und Nordrhein-Westfalen geliefert. “Die Unternehmensseite muss aber eben auch ihren Teil beitragen, damit die Transformation gelingt und eine zukunftsfähige Stahlproduktion am Wirtschaftsstandort Deutschland gesichert wird.”
Thyssenkrupp steht wegen des Streits um die Zukunft der Stahlsparte vor einem Scherbenhaufen. Der Chef des Aufsichtsrats der Stahltochter, Sigmar Gabriel, hatte am Donnerstag seinen Rücktritt angekündigt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Konzern-Chef Miguel Lopez und dem Konzern-Aufsichtsratschef, Siegfried Russwurm, sei nicht mehr möglich, sagte Gabriel. Weitere drei Mitglieder des Aufsichtsrats folgten ihm. Auch Stahl-Chef Bernhard Osburg und weitere Mitglieder des Stahl-Vorstands legten ihre Posten nieder.
Lopez hatte im Streit um die Zukunft der Stahlsparte Osburg öffentlich scharf kritisiert. Dieser müsse endlich einen langfristig tragfähigen Businessplan ohne Schönfärberei vorlegen. Lopez will die Produktionskapazitäten wegen der schwachen Nachfrage reduzieren und das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky auslagern. Die Arbeitnehmervertreter befürchten den Verlust Tausender Jobs.
AKTIONÄRSSCHÜTZER GIBT LOPEZ RÜCKENDECKUNG
Betriebsratschef Nasikkol warf Lopez vor, verantwortlich zu sein “für die Risiken, die Ängste und für das angerichtete Chaos.” Er gefährde akut die Zukunft des größten deutschen Stahlproduzenten. Dies geschehe mit ausdrücklicher Rückendeckung aller Anteilseigner im Mutterkonzern, allem voran Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm und der Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, der größten Einzelaktionärin.
Russwurm hatte die Kritik der Arbeitnehmervertreter zurückgewiesen. Das Steel-Management habe seine eigenen Pläne immer wieder deutlich verfehlt. Das gelte bislang auch für das laufende Geschäftsjahr. Vereinbarte Restrukturierungsprogramme hätten bei weitem nicht zu den vom Steel-Management in Aussicht gestellten Effekten geführt. “In den vergangenen Jahren mussten Wertberichtigungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro vorgenommen werden, weil falsch oder schlecht investiert worden war.”
Rückendeckung bekam Lopez unter anderem von Aktionärsschützern. “Auf Dauer ist es – und das unabhängig von dem konkreten Fall – nicht durchzuhalten, wenn das Management der Tochter nicht im Sinne der Mutter agiert”, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, der Nachrichtenagentur Reuters. Insofern seien die Entscheidungen zwar hart und bitter, aber aus Sicht des Mutterkonzerns zunächst nachvollziehbar. “Für die Tochter Thyssenkrupp Steel und deren Mitarbeiter bedeutet das eine massive Anspannung und Unsicherheit. Die gilt es jetzt schnell aufzulösen.”
Die ohnehin bereits länger schwächelnde Thyssenkrupp-Aktie reagierte zunächst kaum auf die Entwicklung. Sie notierte zeitweise leicht im Plus bei einem Kurs von 3,24 Euro.
(Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)