Unicredit schürt mit Commerzbank-Einstieg Übernahmefantasien

– von Tom Sims und Giulia Segreti und Christian Kraemer

Frankfurt/Berlin/München (Reuters) – Die italienische Großbank Unicredit greift überraschend nach ihrem deutschen Konkurrenten Commerzbank.

Die Italiener, die in Deutschland auch mit ihrer Marke Hypovereinsbank bekannt sind, erwarben neun Prozent an der zweitgrößten börsennotierten deutschen Bank und deuteten Interesse an einer Ausweitung ihres Engagements an. Unicredit erklärte am Mittwoch, man werde zusammen mit der Commerzbank Möglichkeiten zur Wertsteigerung für die Aktionäre beider Banken erörtern. Wenn nötig, werde man regulatorische Genehmigungen für eine mögliche Ausweitung des Anteils auf mehr als 9,9 Prozent einholen. Spekulationen, dass dies der Auftakt zu der lang erwarteten Konsolidierung auf dem europäischen Bankensektor sein könnte, trieben die Commerzbank-Aktien rund 17 Prozent auf 14,71 Euro. Das ist der größte Kurssprung seit März 2020.

Die Aktien von Unicredit stiegen in Mailand um rund drei Prozent. Das zweitgrößte italienische Kreditinstitut erwarb die Hälfte des Anteils an der Commerzbank durch den Kauf eines 4,5-Prozent-Pakets, das der deutsche Staat über Nacht am Markt platzierte. Der andere Teil sei am Markt erworben worden. Von der Commerzbank war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Die Deutsche Bank erklärte, sie äußere sich nicht zu Wettbewerbern.

Die Italiener bemühen sich Insidern zufolge bereits seit Jahren um eine Übernahme der Commerzbank. Der seit 2021 amtierende Unicredit-Chef Andrea Orcel sei deswegen bereits Anfang 2022 an Commerzbank-Chef Manfred Knof herangetreten, hatten mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters damals gesagt. Bereits Orcels Vorgänger Jean Pierre Mustier habe an einer Übernahme gearbeitet, sei aber auf politischen Widerstand gestoßen, sagte eine an den Vorbereitungen beteiligte Person.

Am Dienstag hatte die Commerzbank überraschend mitgeteilt, dass Vorstandschef Manfred Knof das Institut nach Ablauf seines laufenden Vertrags verlässt. Er werde bis Ende Dezember 2025 bleiben, aber darüber hinaus der Commerzbank nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Aufsichtsrat um Jens Weidmann werde umgehend mit der Suche nach einer Nachfolge beginnen. In Medienberichten war Finanzchefin Bettina Orlopp als mögliche Kandidatin genannt worden.

BUND LÄUTET AUSSTIEG AUS COMMERZBANK EIN

Der Bund hatte angekündigt, seine durch die Rettung der Bank in der Finanzkrise erworbenen Anteile an der Commerzbank Schritt für Schritt abzubauen. Nach dem Verkauf der rund 4,5 Prozent an Unicredit hält er noch zwölf Prozent an der Bank. Die Frage ist nun, ob der verbliebene Anteil ebenfalls an Unicredit gehen könnte. Das Bundesfinanzministerium wollte sich zunächst nicht zu dem Einstieg der Unicredit äußern. Der Bund hatte der Commerzbank in der Finanzkrise 2008 und 2009 unter die Arme gegriffen und sie mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden Euro gerettet.

Am Mittwoch teilte die Finanzagentur mit, die Unicredit habe bei einem beschleunigten Platzierungsverfahren alle übrigen Interessenten überboten. Der Kaufpreis dieses Pakets lag den Angaben zufolge bei 13,20 Euro je Aktie, was einen Gesamterlös von 702 Millionen Euro ergibt. Die Commerzbank-Aktien waren am Dienstag mit einem Kurs von 12,60 Euro aus dem Handel gegangen.

“Mit diesem ersten Teilverkauf der Beteiligung wird der Abschluss der erfolgreichen Stabilisierung der Bank und somit der Ausstieg des Bundes eingeläutet”, sagte Finanzagentur-Chefin Eva Grunwald. In Finanzkreisen hieß es, UniCredit als Käufer sei sehr überraschend. Es sei sehr ungewöhnlich, dass alles an einen Käufer gehe.

EXPERTEN BEGRÜSSEN UNICREDIT-EINSTIEG

Top-Ökonomen werteten den Schritt der Unicredit positiv. “Eine Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch sinnvoll”, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der Nachrichtenagentur Reuters. Dies gelte auch im Hinblick auf eine Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion in der EU. Durch Letztere sollen kleine und mittlere Unternehmen im EU-Binnenmarkt leichter an Kredite kommen.

“Die Verbindung beider Banken bis hin zu einer Übernahmeperspektive könnte sinnvoll sein”, betonte der Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Friedrich Heinemann. “Die Commerzbank ist auch nach europäischen Maßstäben eine kleine Bank, die nicht die notwendige Größenordnung für ein dauerhaft erfolgreiches Agieren aufweist.”

(Bericht von Tom Sims, Giulia Segreti, Valentina Za, Sabine Wollrab, Christian Krämer und Rene Wagner, bearbeitet von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2024binary_LYNXMPEK8A08J-VIEWIMAGE

Close Bitnami banner
Bitnami