Scholz sagt Chemiebranche Hilfe bei EU-Regulierung und Stromkosten zu

Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Chemie- und Pharma-Branche Hilfe im Kampf gegen eine zu harte EU-Regulierung und bei den Stromkosten zugesagt.

Scholz lehnte am Donnerstag auf der Tagung des Chemie- und Pharmaverbandes VCI in Berlin ein Totalverbot der sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS in der EU ab. “Dort wo der Einsatz von PFAS schädlich ist und es bessere Alternativen gibt, sollten die Stoffe verboten werden”, sagte der SPD-Politiker. “Dort, wo es noch keine Alternativen gibt und ihr Nutzen aber überwiegt, muss ihr Einsatz möglich bleiben – bei Medizinprodukten etwa, bei Halbleitern oder Elektrolyseuren”, fügte Scholz mit Blick auf die Debatte in der EU hinzu. Bis es Alternativen gebe, brauche man deshalb Übergangsfristen und Ausnahmen. Er sagte auch Hilfe bei den Stromkosten zu. Chemie-Arbeitgeber und -Gewerkschaft äußerten aber Kritik.

Die Bundesregierung werde sich in Brüssel auch dafür einsetzen, dass bei der Novelle der sogenannten REACH-Verordnung für Chemikalien ein “risikobasierter Ansatz” beibehalten werden sollte, sagte Scholz. Man brauche eine praktikable und ausgewogene Regulierung. Zudem versprach er, dass sich die Bundesregierung für niedrigere Strompreise einsetzen werde. “Wir haben die Strompreiskompensation bis 2030 verlängert und wir werden uns gegenüber der Europäischen Kommission dafür einsetzen, dass noch weitere Bereiche der Wirtschaft entlastet werden können”, betonte der Kanzler. Zudem strebe die Ampel eine “beihilfekonforme Verlängerung” der Regelungen der Stromnetz-Entgelt-Verordnung an. “Wir wollen die Entlastungswirkung möglichst verlängern.” Dies solle den Unternehmen helfen, besser zu planen.

KRITIK DER BRANCHE – “ENTLASTUNG IM MILLIBAR-BEREICH”

“Viele Unternehmen verlieren zunehmend den Glauben an gute Rahmenbedingungen am Standort Deutschland. Das muss sich ändern”, kritisierte der wiedergewählte VCI-Präsident Markus Steilemann. Zugleich lobte er aber, dass die Ampel-Regierung in den vergangenen Wochen und Monaten stärker auf die Nöte der Industrie eingegangen sei.

Auch Katja Scharpwinkel vom Verband der Chemie-Arbeitgeber (BAVC) äußerte Lob und Kritik. Die Analyse von Scholz sei zwar richtig, aber die vorgestellten Maßnahmen reichten nicht aus. Es brauche zusätzliche Anstrengungen der Bundesregierung insbesondere für eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung, ausreichend Fachkräfte, weniger Bürokratie. “Die heute auf dem VCI Summit skizzierten Pläne der Bundesregierung zur Stärkung des Chemie-Standorts Deutschland mindern den Überdruck auf dem Kessel im Millibar-Bereich”, teilte auch der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, mit. “Mit Blick auf die Arbeitsplätze in dieser deutschen Schlüsselindustrie bringen sie keine Entwarnung.”

CDU-Chef Friedrich Merz warf der Ampel ebenfalls vor, die Rahmenbedingungen für die Industrie deutlich verschlechtert zu haben und forderte einen energischeren Kampf gegen Bürokratie- und Steuerlasten. Wirtschaftsminister Robert Habeck und den Grünen warf er einen Hang zur Überregulierung vor. Habeck sei Kinderbuchautor, er Rechtsanwalt. “Aber wir haben eines gemeinsam. Von Technologie haben wir keine Ahnung”, sagte der CDU-Chef. Deshalb solle man Entscheidungen über die Entwicklung von Technologien lieber Fachleuten überlassen.

Die Chemiebranche ist Deutschlands drittgrößter Industriezweig nach der Autobranche und dem Maschinenbau. Der VCI vertritt die Interessen von rund 2300 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und chemienahen Wirtschaftszweigen. VCI-Präsident Steilemann sprach von einem Umsatz der Branche von 245 Milliarden Euro jährlich. Der VCI beklagt schon seit Langem die Bedingungen am Standort Deutschland und drängt vor allem auf einen international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis sowie auf einen Bürokratieabbau.

(Bericht von Andreas Rinke, Patricia Weiß; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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