Dänische DSV schluckt Bahn-Spedition Schenker für 14 Milliarden Euro

– von Markus Wacket

Berlin/Kopenhagen (Reuters) – Der dänische Logistiker DSV hat das Bieter-Rennen um die Bahn-Speditionstochter Schenker gewonnen. DSV und Deutsche Bahn unterschrieben einen Vorvertrag zum Schenker-Kauf für rund 14 Milliarden Euro, wie beide Unternehmen am Freitag mitteilten. Dem Abkommen müssen die Aufsichtsräte und der Bund noch zustimmen. Trotz Bedenken von Arbeitnehmervertretern gilt das Ja im Bahn-Gremium als sicher. DSV setzte sich damit im Bieterkampf gegen den Finanzinvestor CVC durch, der laut Verhandlungskreisen etwas weniger geboten hatte. DSV und Schenker sind im zersplitterten weltweiten Logistikmarkt die Nummer drei und vier. Zusammen wären sie die weltweite Nummer 1. Beide beschäftigen je etwa 75.000 Mitarbeiter. Der Erlös aus dem Verkauf soll dem Staatskonzern vollständig zufließen, vor allem um den Schuldenberg von über 30 Milliarden Euro abzutragen.

DSV-Chef Jens Lund erklärte, mit der Übernahme werde Deutschland zu einem Schlüsselmarkt für den Konzern. Man werde in den nächsten drei bis fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in Deutschland investieren. Dann werde das kombinierte Unternehmen mehr Beschäftigte haben als derzeit beide Organisationen zusammen. Die über 150 Jahre alte Traditionsmarke Schenker wird allerdings verschwinden, das Unternehmen unter dem Namen DSV weitergeführt. Die DSV-Aktie hatte an der Börse angesichts des Deals deutlich zugelegt und veränderte sich am Freitag kaum noch. Analysten von Bernstein sprachen von einem leicht günstigeren Kaufpreis für die Dänen als erwartet.

Bahn-Chef Richard Lutz bezeichnete den Kauf als größte Transaktion in der Geschichte der Deutschen Bahn. Die damit verbundene Reduzierung der Schulden sei ein substanzieller Beitrag zur finanziellen Tragfähigkeit des Staatskonzerns. Man könne sich nun auf die Sanierung in Deutschland konzentrieren. Hingegen müsse sich ein Unternehmen wie Schenker international aufstellen, betonte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Schenker habe keinen Beitrag zum Kerngeschäft der Bahn gebracht. Die Schuldenreduktion werde dem Unternehmen dabei aber nun helfen.

Der Verband der DB-Konkurrenten, die “Güterbahnen”, nannte den Verkauf zwar richtig. Die Erlöse sollten aber Grundstock für einen Infrastrukturfonds sein und damit allen Bahnen zugute kommen. “Den Verkaufserlös in die Schuldentilgung zu stecken, signalisiert der DB lediglich, dass wieder Platz für neue Schulden da ist – das ändert strukturell nichts”, sagte Geschäftsführer Peter Westenberger.

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hatte Ende 2022 den Weg für Verkaufsverhandlungen freigemacht. Die Vertreter der Ampel-Koalition im Gremium hatten argumentiert, Investitionen der angeschlagenen Bahn etwa in Asien passten nicht ins Bild. Auf der anderen Seite hatte die Logistiktochter dem Konzern teils milliardenschwere Gewinne geliefert. Zuletzt war sie die einzige profitable Sparte der gesamten Bahn.

BESCHÄFTIGUNGSSICHERUNG FÜR ZWEI JAHRE

Die Schenker-Gewerkschaft Verdi hatte gegen einen Verkauf an DSV demonstriert. Bei einem Zusammenschluss könnten Standorte und Doppelfunktionen wegfallen. Der Finanzinvestor CVC hätte die Marke erhalten, er wollte Schenker später über die Börse weiterverkaufen. CVC hatte argumentiert, dies würde erheblich weniger Stellen kosten als ein Zusammenschluss mit DSV.

Das wiederum bestreiten die Dänen, für die es die größte Übernahme ihrer Geschichte ist. Es würden unter 2.000 der insgesamt knapp 15.000 Schenker-Jobs in Deutschland entfallen, ausschließlich in der Verwaltung. Da bei Schenker bereits jetzt ein Sparprogramm mit Stellenabbau laufe, würde die Zahl der von DSV gestrichenen Stellen mit etwa 1000 noch niedriger ausfallen. Allein für DSV arbeiten derzeit 5.000 Menschen in Deutschland.

Für zwei Jahre nach dem formalen Zusammenschluss, der laut DSV für das zweite Quartal 2025 geplant ist, gilt eine Beschäftigungsgarantie. DSV-Finanzvorstand Michael Ebbe bestätigte im Reuters-Interview, dass nach den Protesten der Schenker-Beschäftigten zehn Millionen Euro in einen Härtefallfonds fließen sollen. Aus diesem Topf können zusätzliche Abfindungen für Schenker-Mitarbeiter bezahlt werden.

BAHN VOR HARTEM SANIERUNGSKURS

Für die Bahn bedeutet der Schenker-Verkauf den Verlust des wichtigsten Gewinn-Lieferanten im Konzern. Mit dem Geschäft kauft sich die Bahn im Kern Zeit. Sie will nun bis 2027 auch ohne Schenker wieder profitabel werden. Die Güterbahn, seit Jahren in der Krise, muss auch auf Druck der EU-Kommission schon bis 2026 wieder schwarze Zahlen schreiben. Der Fernverkehr muss den Kauf von ICE-Zügen strecken und damit Milliarden einsparen. Das marode Schienennetz soll saniert werden und in drei Jahren eine Pünktlichkeit im Fernverkehr von bis zu 80 Prozent möglich machen. Konzernweit sollen zudem mindestens 30.000 Stellen der insgesamt gut 200.000 Stellen wegfallen, vor allem in der Verwaltung.

Schenker war in den 1930er Jahren von der Reichsbahn gekauft worden. 1991 trennte sich die Bundesbahn wieder von Schenker, bis die Spedition 2002 erneut von der Deutschen Bahn gekauft wurde. Die Idee war, dass sich Spedition und Güterbahn ergänzen und stärken würden. Doch die erhofften Kosteneinsparungen und Kundengewinne traten vor allem bei der Güterbahn nie ein.

(Weitere Reporter: Stine Jacobsen, Jacob Gronholt-Pedersen. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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