– von Ilona Wissenbach
Hannover (Reuters) – Ob Daimler, Traton oder Volvo – die großen Lkw-Bauer stehen mit klimafreundlichen Elektro- Schwerlastern in den Startlöchern.
Die Konkurrenten suchten sich bei der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation mit ihren Angeboten zu übertreffen, etwa in Sachen Reichweite. Doch in einem Punkt sind sie sich einig: Die Hersteller liefern, jetzt müssen die EU-Staaten nachziehen, indem sie vor allem beim Aufbau der Ladeinfrastruktur mithelfen. “Das Produkt ist nicht länger das Problem”, sagte die designierte neue Daimler-Truck-Chefin Karin Radström. Doch an der Lade-Infrastruktur hapere es in Europa gewaltig. “Wenn die Infrastruktur nicht fertig ist, kaufen unsere Kunden nichts – und wenn unsere Kunden nichts kaufen, müssen wir den Green Deal verschieben”, warnte sie vor dem Scheitern der EU-Klimaziele.
Der CO2-Ausstoß neuer Lkw über 7,5 Tonnen soll in der EU bis 2030 um 45 Prozent sinken gegenüber 2020. “Wir müssen auf Null-Emissionen umstellen, weil wir die Erderwärmung und den Klimawandel stoppen müssen – und nicht weil wir von einem bösen Regulierer dazu gezwungen werden”, betonte der scheidende Daimler-Chef Martin Daum. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey bedeutet das EU-Ziel einen Absatzanteil an E-Lkw von 40 Prozent – heute sind es weniger als zwei Prozent. Daimler müsste mehr als zehn Mal so viele Exemplare des in Hannover vorgestellten eActros 600 verkaufen als die bislang bestellten rund 2000 Stück.
Doch weil diese in der Anschaffung mehr als doppelt so teuer sind wie ein gut 100.000 Euro kostender Diesel-Lkw, weil die Ladeinfrastruktur fehlt und Grünstrom teuer ist, können sich das viele Transportunternehmen nicht leisten. McKinsey rechnete vor, die Preise der E-Laster müssten um bis zu 50 Prozent sinken. Ob das über wachsende Stückzahlen und billigere Batterien zu erreichen ist, dahinter steht ein Fragezeichen.
Die EU hat die Mitgliedstaaten in einer Verordnung zum Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur verpflichtet. Doch aus Sicht der Hersteller geht das viel zu langsam. Notwendig sind enorme Investitionen: Nach einer Studie des Beratungsunternehmens PwC müssen bis 2035 fast 35 Milliarden Euro in Ladestellen gesteckt werden. Das Gros von fast 29 Milliarden Euro davon müsse von den Transportunternehmen selbst gestemmt werden: für eigene Stromtankstellen.
LANGE LEITUNG
Ein Problem ist neben hohen Kosten außerdem der Mangel an Stromleitungen, um Ladestellen im Depot der Spediteure zu installieren. “Im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge sind die Herausforderungen mit Blick auf die Netzanschlüsse besonders groß. Umso wichtiger ist der vorausschauende Ausbau der Stromnetze sowie die Beantragung der Netzanschlüsse”, erklärte die Chefin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller. Genehmigungen von Leitungen dauern jahrelang.
Auch Traton-Chef Christian Levin fordert eine stärkere Unterstützung der Politik. Bei Pkw habe sich gezeigt, dass direkte Subventionen oder Steuererleichterungen für die Käufer sinnvoll wären. Die öffentliche Hand habe zudem die Möglichkeit, bei eigenen Fuhrparks auf CO2-freie Fahrzeuge umzustellen. Das zeige sich etwa bei Stadtbussen, bei denen viele Städte Elektrobusse anschafften. Das E-Auto-Vorzeigeland Norwegen komme mit dieser Strategie auch bei Nutzfahrzeugen schneller voran.
Der Autozulieferer Bosch hält trotz aller Hürden den Siegeszug des E-Lasters für möglich. “Wir müssen um jede Tonne CO2-Reduktion kämpfen”, sagte Bosch-Chef Stefan Hartung im Gespräch mit Reuters. Die Durchdringung mit E-Fahrzeugen durch die Flotten werde kommen müssen, um technologischen Fortschritt zu erreichen. “Die ganze Messe ist voll mit elektrischen Lösungen. Das machen wir alle nicht zum Spaß, wir wollen ein Geschäft damit machen. Von daher stimmt mich das schon hoffnungsvoll.” Er mahnt jedoch zu Geduld, wenn es zunächst nur holprig vorwärts geht. Auch er sieht noch Verbesserungsbedarf bei der Regulierung in der EU. Die Regulierung von Kraftstoffen, CO2-Aufschlägen und Vorschriften für die Neufahrzeuge müsse besser abgestimmt werden mit jener der Energiebranche. “Notwendig ist ein ganzheitlicher Ansatz über alle Sektoren hinweg.”
(Mitarbeit: Christina Amann. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)