Keine Bundeshilfe für Flugtaxi-Entwickler Lilium

– von Holger Hansen und Alexander Hübner

Berlin/München (Reuters) – Nach der Absage für eine Staatsbürgschaft des Bundes steht die Zukunft des bayerischen Flugtaxi-Entwicklers Lilium in Frage.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages konnte sich nicht auf eine Finanzhilfe von 50 Millionen Euro einigen. Vor allem die Grünen blockierten die Hilfen, nachdem die skeptische FDP auf Druck von Finanzminister Christian Lindner umgeschwenkt war, wie es in Koalitionskreisen hieß. Die SPD hätte “dieser klimaneutralen Zukunftstechnologie gern staatlich unter die Arme gegriffen”, sagte deren Chef-Haushaltspolitiker Dennis Rohde am Donnerstag. “Deutschland kann es sich gerade nicht leisten, dass Industriearbeitsplätze der Zukunft verschwinden.” Leider habe es aber keine Mehrheit in der Koalition dafür gegeben

FDP-Haushälter Karsten Klein sagte Reuters: “Das Scheitern ist kein gutes Signal für das Unternehmen, die Arbeitsplätze und den Hightech-Standort Bayern.” Lilium hatte fest auf ein 100 Millionen Euro schweres Darlehen der staatlichen Förderbank KfW gesetzt, um die Entwicklung und den Bau seines von 30 Elektromotoren angetriebenen Kleinflugzeugs zu finanzieren. Von privaten Investoren – vor allem aus China und den USA – hat das Start-up aus Gauting bei München bereits 1,5 Milliarden Euro erhalten. Doch bis zu der für 2026 angepeilten Zulassung braucht Lilium noch einige 100 Millionen. Bayern hatte eine Bürgschaft von 50 Millionen Euro für den KfW-Kredit in Aussicht gestellt – unter der Voraussetzung, dass der Bund in gleicher Höhe bürgen würde.

Von Seiten der Grünen hieß es, ein Staatseinstieg bei Lilium sei auch angesichts der schwierigen Haushaltslage des Bundes “nicht verantwortbar”. Das Flugtaxi sei ein Nischenprodukt im Luxusbereich, das mit hohen technischen Risiken behaftet sei. Lilium sei nicht systemrelevant. Wenn der Freistaat Bayern das Unternehmen unterstützen wolle, könne er das eigenständig tun. Lilium pocht darauf, dass es beim “Lilium Jet” nicht primär um ein Flugtaxi für kurze Strecken gehe, sondern um die Weiterentwicklung des Fliegens mit Elektroantrieb. Später seien auch größere Flugzeuge mit der Technologie denkbar.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warf der Bundesregierung Wortbruch vor. “Erst wurde vom Bund in Aussicht gestellt, 50 Millionen Euro zu geben, wenn das auch Bayern täte. Nachdem sich Bayern bereit erklärt hatte, zieht der Bund jetzt zurück”, sagte er der “Augsburger Allgemeine”. Aiwanger hatte sich zunächst auch skeptisch zu Staatshilfen für Lilium geäußert, auf Druck von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) rang sich das Kabinett aber zu einer positiven Entscheidung durch. “Jetzt umzufallen, nachdem man sich vorher anders positioniert hatte, ist schon peinlich”, sagte Aiwanger.

Söder nannte die Entscheidung einen “bitteren Rückschlag für den Technologiestandort Deutschland”. Die Grünen “sind und bleiben innovationsfeindlich und deshalb dafür verantwortlich, wenn deutsche Kreativität in die USA, Frankreich oder nach China abwandert.” FDP-Politiker Klein sagte, für seine Partei hätten “nach tiefgehenden Beratungen die Chancen überwogen”. Die CSU wolle aber vom eigenen Versagen der Wirtschaftspolitik in Bayern ablenken.

SPRINGT FRANKREICH IN DIE BRESCHE?

Ein Lilium-Sprecher wollte sich zu dem Nein aus Berlin nicht äußern. Das Unternehmen erwägt nun einen Umzug ins Ausland, wenn dort Staatshilfen fließen. Frankreich hat für die Ansiedlung eines Werks bereits Subventionen in Aussicht gestellt: “Wenn wir ein Nein bekommen, werden wir das Unternehmen in der jetzigen Form nicht in Deutschland halten können”, hatte Mitgründer Daniel Wiegand kürzlich der “Bild”-Zeitung gesagt. “Wollen wir jetzt auch noch die Elektrifizierung der Luftfahrt ins Ausland abwandern lassen, wenn die weltweit beste Technologie dafür von deutschen Ingenieuren entwickelt wurde?” schrieb Vorstandschef Klaus Röwe auf LinkedIn.

Die Investoren seien weiter bereit, Geld zu geben, wollten aber auch ein Signal vom Bund, schrieb Röwe weiter. “Es hat auf der Welt noch nie ein erfolgreiches Flugzeugprogramm gegeben, das nicht staatlich unterstützt wurde. Die Anfangsinvestitionen sind einfach zu hoch, um rein privatwirtschaftlich gestemmt zu werden.” In einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC erklärte Lilium, wenn der KfW-Kredit nicht fließe, müsse man unter Umständen Insolvenz anmelden.

(Bericht von Holger Hansen und Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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