China-Flaute trifft Mercedes hart – “Wir werden da kämpfen”

– von Ilona Wissenbach

Frankfurt (Reuters) – Mercedes-Benz hat im dritten Quartal wegen der Talfahrt in China noch schlechter abgeschnitten als nach der jüngsten Gewinnwarnung erwartet.

In der Kernsparte Mercedes-Benz Cars brach das bereinigte Betriebsergebnis von Juli bis September im Vergleich zum Vorjahr um rekordverdächtige 64 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro ein. Auch die Rendite lag unter den Erwartungen: Sie war mit 4,7 Prozent (Vorjahr: 12,4 Prozent) so niedrig wie seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 nicht mehr. Eine Abkehr von China, dem wichtigsten Markt der deutschen Autoindustrie, komme nicht infrage, betonte Finanzchef Harald Wilhelm am Freitag. Der Wettbewerb sei dort hart. “Aber das ist kein Grund, sich aus dem Markt zurückzuziehen – wir werden da kämpfen.”

Nach jahrelangem Boom in China, wo die Marke mit dem Stern jedes dritte Auto verkauft, bringt Mercedes-Benz derzeit seine luxuriösen Verbrenner-Autos wie S-Klasse und Maybach nicht mehr so an die betuchte Kundschaft. Grund ist nach Einschätzung des Autobauers die weiterhin schwache Gesamtwirtschaft. Die wohlhabenden Käufer halten sich wegen der Immobilienkrise mit teuren Anschaffungen zurück. Dieser Effekt sei stärker als Anfang des Jahres erwartet, erklärte Wilhelm. Von der S-Klasse wurden Bestände abverkauft und nach China wenig nachgeliefert, was die Quartalsbilanz besonders dämpfte. Die Nachfrage sei aber stabil und Mercedes weiterhin führend im Luxussegment.

Der gesamte Pkw-Absatz der Schwaben sank nur um 1,4 Prozent im dritten Quartal, bei den hochprofitablen Spitzenmodellen war der Rückgang allerdings zwölf Prozent, der Absatzmix war damit deutlich ungünstiger. Sonderfaktoren, die sich Wilhelm zufolge 2025 nicht wiederholen dürften, sorgten für Belastungen von etwa einer halben Milliarde Euro. In China musste Mercedes Händlern finanziell unter die Arme greifen. Auch manche Zulieferer, nicht nur in China, brauchen Unterstützung.

Die Regierung in Peking versucht mit einem Konjunkturpaket die Wirtschaft anzukurbeln. Doch Analysten bezweifeln, dass dies stark genug wirkt, um Mercedes und die anderen deutschen Autobauer aus der Bredouille zu bringen. “Einiges ist vorübergehend – ein erheblicher Teil scheint aber strukturell zu sein, da die chinesischen Verbraucher nicht mehr so eine starke Vorliebe für deutsche Premiumfahrzeug haben”, sagte Daniel Schwarz, Analyst von Stifel Research. Der Automarkt in China bleibe fundamental schwach, erklärten die Analysten von Barclays. Mercedes, BMW oder Audi müssten Preise senken und hätten es zunehmend in dem von ihnen bisher dominierten Marktsegment mit chinesischer Konkurrenz zu tun.

JEDEN STEIN UMDREHEN

Die kleinere Van-Sparte konnte die Talfahrt von Pkw nur teilweise bremsen. Der Konzern verdiente operativ mit 2,5 Milliarden Euro nur noch etwa halb soviel wie vor Jahresfrist. Mercedes hatte schon im September das Renditeziel der Pkw-Sparte wegen der absehbar schlechten Entwicklung zum zweiten Mal in diesem Jahr gekappt, auf nur noch 7,5 bis 8,5 Prozent. Der operative Gewinn des Unternehmens soll um mehr als 15 Prozent sinken nach knapp 20 Milliarden Euro 2023.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, wollen die Schwaben alle Kosten auf den Prüfstand stellen. “Wir schauen definitiv die Kostenseite an”, sagte Wilhelm. “Wir drehen jeden Stein um.” Was das für die Beschäftigung heißt, ließ er offen. Nur soviel: Nach “geräuschlosem” Senken der Fixkosten, einschließlich Personalkosten, in den vergangenen Jahren werde es “härter”. Kosten senken reiche aber nicht. Mercedes will mehr Potenzial aus den Pkw-Modellen herausholen, zugleich aber weiter bei den Preisen keine großen Zugeständnisse machen, um den Absatz anzukurbeln. Das Motto bleibt: “Value over Volume”.

Die vor zwei Jahren beschlossenen Renditeziele sollen überprüft werden. Die Wetterkarte von Mercedes sah auch bei Sturm noch eine Marge von mindestens acht Prozent vor und reichte bis zu 14 Prozent bei strahlendem Sonnenschein. Derart historisch hohe Gewinnspannen erreichten die Schwaben in den vergangenen beiden Jahren, als das Angebot wegen des Chip-Mangels während der Corona-Pandemie verknappt war. Die aktuelle Lage ist Wilhelm zufolge aber viel schlechter als in den damals angenommenen Szenarien. Im ersten Quartal will Mercedes darlegen, welche Lehren aus der China-Krise zu ziehen sind.

Die Strategie, auf Top-Luxuswagen zu setzen, wird nicht gekippt, betonte der Finanzchef. “Die Strategie ist exakt die richtige, aber wir müssen sie noch weiter schärfen.” Zugleich will Mercedes mit einer Produktoffensive ab 2025 mehr Einstiegsmodelle anbieten. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer warnte, Mercedes dürfe sich nicht nur auf die oberen Segmente kaprizieren, weil der Markt hier nur geringere Stückzahlen hergebe. “Die Luxusstrategie von Mercedes ist zum großen Risiko geworden”, sagte er. “Mercedes muss umsteuern.”

(Weiterer Reporter: Andrey Sychev. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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