New York/Frankfurt (Reuters) – Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck KGaA hat ein Auge auf den Krebsspezialisten Springworks Therapeutics geworfen.
Merck befinde sich in fortgeschrittenen Gesprächen über eine Übernahme des US-Biotechunternehmens, teilte das Unternehmen am Montagabend mit. Damit bestätigte Merck vorherige Informationen der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei noch keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen worden, erklärte Merck. Zudem gebe es keine Gewissheit, dass eine Transaktion zustande komme, da noch kritische Bedingungen erfüllt werden müssten. Sollte es zu einer Einigung kommen, könnte ein Deal in den kommenden Wochen unterzeichnet werden, hatte Reuters von drei mit der Sache vertrauten Personen erfahren.
Springworks lehnte eine Stellungnahme ab. Die Aktien der Biotechfirma waren am Montag mit einem Plus von 34 Prozent aus dem Handel gegangen, wodurch Springworks mit rund vier Milliarden Dollar bewertet wird. Nach der Reuters-Meldung hatte das Papier zwischenzeitlich fast 49 Prozent zugelegt und damit den höchsten Stand seit April 2022 erreicht. Merck-Aktien verloren 3,7 Prozent. Am Dienstag markierten sie zeitweilig ein neues Jahrestief von 133,90 Euro und notierten dann kaum verändert.
Ein Deal würde in eine Phase wieder anziehender Übernahmeaktivitäten in der Pharmabranche fallen, nachdem 2024 eine vorübergehende Flaute herrschte. Erst im Januar hatte Johnson & Johnson den Kauf des Biotechkonzerns Intra-Cellular für rund 14,6 Milliarden Dollar bekanntgegeben.
SPRINGWORKS STÄRKT MERCKS ONKOLOGIE-GESCHÄFT
Springworks mit Sitz in Stamford im US-Bundesstaat Connecticut hat sich auf Krebstherapien spezialisiert. Das Unternehmen hat in den USA bereits eine Zulassung für das Mittel Ogsiveo gegen fortgeschrittene Desmoidtumoren – eine seltene Tumorart im Weichgewebe. Die Analysten von JP Morgan trauen dem Mittel einen Spitzenumsatz von rund eine Milliarde Dollar zu. Für ein weiteres Mittel wird noch im Februar die Zulassung erwartet. Weitere Wirkstoffe befinden sich im frühen und fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung. Das Unternehmen ging 2019 an die Börse in New York.
Eine Übernahme von Springworks wäre für Merck einer der größten Pharma-Deals der vergangenen Jahre und würde das Unternehmen in der Arzneimittelentwicklung im Krebsgeschäft verstärken. Der bislang größte Zukauf des Dax-Konzerns war der des US-Laborausrüsters Sigma Aldrich 2015 für 13 Milliarden Euro. Die letzte große Übernahme tätigte Merck 2019 mit dem US-Elektronikmaterialienhersteller Versum für 5,8 Milliarden Euro.
Für Merck ist Nachschub für die Pharma-Pipeline essenziell, denn das Unternehmen hat in der Arzneimittelentwicklung eine Reihe von Fehlschlägen hinter sich. Erst im vergangenen Sommer musste Merck einen erneuten Rückschlag verkraften: Die entscheidende Phase-3-Studie mit dem Krebsmittel Xevinapant wurde wegen mangelnder Erfolgsaussichten gestoppt – es zählte zuletzt zu den größten Hoffnungsträgern. Merck-Chefin Belen Garijo traute ihm Milliardenumsätze zu. Im späten Entwicklungsstadium befindet sich nun nur noch das Krebsmittel Pimicotinib, während der Großteil der Pipeline noch in frühen Phasen steckt und damit weit von einer möglichen Marktzulassung entfernt ist.
Merck hatte zuletzt mehrfach betont, sein Pharmageschäft vor allem durch Einlizenzierungen und kleinere, ergänzende Zukäufe stärken zu wollen. Größere Übernahmen sollen sich hingegen auf den Bereich Life Science konzentrieren.
Nach Einschätzung der Analysten von JP Morgan wäre der Kauf von Springworks für Merck strategisch und finanziell sinnvoll. “Angesichts des bestehenden Onkologie-Geschäfts von Merck, das 2024 schätzungsweise rund 25 Prozent der Healthcare-Umsätze ausmacht, halten wir eine potenzielle Übernahme von Springworks für eine sinnvolle Ergänzung mit Synergiepotenzial”, erklärte Analyst Richard Vosser. Entscheidend sei, dass die erwarteten Umsätze der Springworks-Produkte den drohenden Rückgang durch Patentabläufe und zunehmenden Wettbewerb mehr als ausgleichen könnten. Zudem würde die Übernahme größere Transaktionen im Life-Science-Bereich nicht ausschließen und könnte die Perspektiven des Healthcare-Geschäfts deutlich verbessern.
(Bericht Sabrina Valle in New York und Patricia Weiß in Frankfurt, unter Mitarbeit von Milana Vinn in New York, redigiert von Olaf Brenner.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)