Berlin (Reuters) – Das österreichische Kartellamt will das Engagement der Medienholding des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beim deutschen TV-Konzern ProSiebenSat.1 (P7S1) stärker unter die Lupe nehmen.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) teilte am Dienstag mit, sie habe einen Antrag beim Kartellgericht auf eine sogenannte vertiefte Prüfung gestellt. Die bisherige Untersuchung habe ergeben, dass nach derzeitigem Kenntnisstand nicht ausgeschlossen werden könne, dass es “zu nachteiligen Auswirkungen auf den Status quo der Medienaktivitäten von P7S1 in Österreich” kommen könne. Dies gelte vor allem für den Umfang österreichspezifischer Programminhalte. “Die Medienvielfalt ist ein hohes Gut in der Demokratie und jede mögliche Einschränkung wird von der BWB sehr ernst genommen”, erklärte die interimistische BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf-Borsch.
Die MFE-Holding und ProSiebenSat.1 lehnten eine Stellungnahme ab. Anfang November hat Großaktionär MFE (ehemals Mediaset) seine Machtposition bei ProSieben ausgebaut: Die Italiener reduzierten zwar ihre direkten Stimmrechte leicht auf 22,72 Prozent, sicherten sich aber weitere vier Prozent am deutschen Konkurrenten und kommen so direkt und über Finanzinstrumente auf bis zu 29,01 Prozent. Auf der Hauptversammlung könnte MFE sogar 29,9 Prozent in die Waagschale werfen und hätte damit womöglich bei schwacher Präsenz eine Mehrheit. Mit Überschreiten der Schwelle von 30 Prozent der Stimmrechte wäre ein Übernahmeangebot fällig.
ProSiebenSat.1 sei einer von zwei Anbietern im Bereich Privat-TV, die im wesentlichen Umfang breit gefächerte Inhalte wie Nachrichten, Unterhaltung, Infotainmentformate, Filme und Serien speziell für österreichisches Publikum produzierten, erklärte die BWB. Das Unternehmen aus Unterföhring bei München habe als Marktteilnehmer daher eine wesentliche Bedeutung für die Medienvielfalt in Österreich. Die zuständige Medien-Aufsichtsbehörde KommAustria habe eine Erklärung eingebracht, “die das Vorhaben ebenfalls kritisch wegen potenziell negativer Auswirkungen auf die Medienvielfalt würdigt und das Erfordernis einer weiteren Prüfung nahelegt”. Zudem sei eine Stellungnahme eines Unternehmens eingegangen, die die Folgen des angemeldeten Vorhabens auf die Medienvielfalt negativ bewerte.
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hatte im Dezember erklärt, vor Überschreitung der Schwelle von 25 Prozent sei MFE verpflichtet, dies bereits vor dem Vollzug den zuständigen Landesmedienanstalten rechtzeitig anzuzeigen. “Eine Beteiligungserhöhung auf bis zu 29,9 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte würde zudem die Frage aufwerfen, ob dadurch ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne vorliegt.”
(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)