EU droht China mit satten Strafzöllen auf Elektroautos

– von Philip Blenkinsop und Liz Lee und Ilona Wissenbach und Christian Krämer

Brüssel/Berlin/Peking (Reuters) – Trotz Warnungen der deutschen Autoindustrie will die Europäische Kommission Elektroauto-Einfuhren zu Dumpingpreisen aus China mit Sonderzöllen verhindern.

Diese könnten zusätzlich zum Standardsatz von zehn Prozent bis zu 38,1 Prozent betragen, teilte die Behörde in Brüssel am Mittwoch mit. Sie fallen höher aus als im Vorfeld erwartet worden war. Die Kommission begründete den Schritt mit Wettbewerbsverzerrungen durch hohe staatliche Subventionen in der Volksrepublik. Die EU wolle die Ergebnisse ihrer Untersuchung mit China diskutieren und Lösungen suchen, sagte Vizekommissionspräsident Margaritis Schinas. Die chinesische Regierung kündigte an, ihre Interessen verteidigen zu wollen.

Die Autobranche in Deutschland kritisierte die ab Juli greifenden vorläufigen Zölle. Sie fürchtet einen Handelskrieg mit Vergeltungsmaßnahmen Chinas, des wichtigsten Marktes von BMW, Mercedes-Benz oder Volkswagen. BMW und die VW-Tochter Cupra sind selbst von Zöllen auf Autos betroffen, die in China gebaut und in Europa verkauft werden. Die Abgabe gilt für das Herkunftsland des Produkts – auch westliche Hersteller kommen zum Teil in den Genuss der staatlichen Förderung Chinas. “Die EU Kommission schadet damit europäischen Unternehmen und europäischen Interessen”, erklärte BMW-Chef Oliver Zipse. Es drohe eine Spirale des Protektionismus.

Die Aktien der deutschen Autokonzerne reagierten mit Abschlägen. Die Titel des Sportwagenbauers Porsche, dessen China-Absatz mangels dortiger Produktion von Exporten abhängt, brachen am stärksten auf einen Tiefstand ein.

ANGST UM JOBS IN EUROPA

Chinesische Anbieter profitierten von hohen Subventionen, erklärte die EU-Kommission. Steuerliche Begünstigungen und Finanzhilfen gebe es über die gesamte Lieferkette – von der Gewinnung des Lithiums für die Batterien über die Herstellung von Fahrzeugen bis hin zu deren Transport zu den Seehäfen. Das sei unfair und gefährde EU-Produzenten. Auf längere Sicht wären Arbeitsplätze der wichtigen europäischen Industrie und ihr Übergang vom Verbrenner- zum Elektroauto bedroht, der für die EU-Klimaschutzziele wichtig ist. “Der EU-Markt ist nicht nur das wichtigste Ausfuhrziel für chinesische Elektroautos, er ist auch der offenste Markt”, sagte ein EU-Diplomat. Die Zölle glichen nur den unfairen Vorteil aus und seien maßvoll auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation – im Unterschied zum Zoll der USA gegen E-Autos aus China, der auf 102,5 Prozent fast vervierfacht wird.

Die neuen Zölle gelten ab dem 4. Juli, sofern es bis dahin keine Einigung mit China geben sollte. Die Überprüfung der EU-Kommission soll noch bis Anfang November fortgesetzt werden. Dann werden endgültige Sätze festgelegt, üblicherweise für fünf Jahre, und entweder rückwirkend oder sie werden erst ab dann fällig. Namentlich genannt wurden die chinesischen Hersteller BYD, Geely und SAIC. BYD kommt mit einem Zusatzzoll von 17,4 Prozent am besten weg dank Kooperation mit der EU. Für Geely gelten 20 Prozent, für den VW-Partner SAIC 38,1 Prozent.

Die westlichen Autobauer mit ihren Importen aus China wie Tesla und BMW sollen als mit kooperierende Unternehmen behandelt werden. Für diese gilt ein Zusatzzoll von 21 Prozent. Unternehmen, die nicht kooperierten, müssen mit dem Aufschlag von 38,1 Prozent kalkulieren. Tesla stellte als einziges Unternehmen einen Antrag auf einen individuellen Zoll.

CHINA JETZT AM ZUG

Die deutsche Autoindustrie plädierte für freien und fairen Handel und warnte vor Protektionismus. “Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter an”, erklärte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Der potenzielle Schaden sei womöglich höher als der Nutzen für die europäische Autoindustrie. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Branche müsse anders politisch gestärkt werden. Müller rief die Regierung in Peking zum Dialog auf. Der Großhandelsverband BGA lehnte die Zölle ebenfalls ab. “Das beschädigt die regelbasierte Handelsordnung und hätte auch vor den internationalen Schiedsgerichten keinen Bestand”, so BGA-Präsident Dirk Jandura.

Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die EU sollte auf die Strafzölle verzichten. “Mit einem Handelskrieg ist niemandem gedient.”

Das chinesische Außenministerium wertete die EU-Ankündigung als “typischen Fall von Protektionismus”. Die Zölle schadeten dem Handel und der Stabilität der globalen Automobilproduktion. Der chinesische Herstellerverband CAAM will nach Berichten von Staatsmedien die Zölle nicht akzeptieren. Der Pkw-Verband CPCA gab sich hingegen gelassen. Betroffene Hersteller wie BYD hätten viel Potenzial, sich in Europa zu entwickeln. Chinesische Autobauer sind schon dabei, hier eine Produktion aufzubauen.

Die Bundesregierung begrüßte das Gesprächsangebot der EU-Kommission an China. Der EU-Kommission zufolge lässt sich der Zoll nur abbiegen, wenn alle Subventionen gestrichen werden. Die Mitgliedstaaten könnten die vorläufigen Zölle mit einfacher Mehrheit kippen. Ungarn verurteilte den Zollplan – Italien begrüßte ihn.

(Mitarbeit von Andreas Rinke, Rene Wagner, Boldizsar Gyori, Giuseppe Fonte, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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