Thyssen streicht Prognose erneut zusammen – Aktie stürzt ab

Düsseldorf (Reuters) – Thyssenkrupp schlittert tiefer in die Krise: Aktien des Essener Mischkonzerns stürzten am Freitagmorgen ab, nachdem das Management um den seit über einem Jahr amtierenden Vorstandschef Miguel Lopez am Vorabend die Prognose erneut gesenkt hatte.

Thyssenkrupp rechnet nun für das Geschäftsjahr 2023/24 mit einem Umsatzeinbruch von zwischen sechs und acht Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie der Konzern mitteilte. Zuvor hatte es lediglich geheißen, Thyssenkrupp erwarte einen Umsatz unter Vorjahr. Auch die Prognosen für den bereinigten operativen Ertrag und den am Markt vielbeachteten Free Cashflow vor M&A – also den Zufluss liquider Mittel bereinigt um Zu- und Verkäufe – schraubte Thyssenkrupp nach unten. Bereits im Mai hatte der Vorstand um Lopez seine Prognosen zum zweiten Mal binnen weniger Monate abgesenkt.

Aktien von Thyssenkrupp gaben am Freitagmorgen in der Spitze 9,4 Prozent auf 3,51 Euro nach, das war der tiefste Stand seit März 2020. Die Entwicklung bei Thyssenkrupp bleibe ernüchternd, sagte ein Händler. Die Investoren drohten das verbliebene Vertrauen zu verlieren.

Für Thyssenkrupp kommt die Entwicklung zur Unzeit. Bei der Stahlsparte des Traditionskonzerns stehen Kürzungen bei Personal und Produktion ins Haus. Der Aufsichtsrat der Tochter wird voraussichtlich Anfang August über entsprechende Pläne beraten. Stahlchef Bernhard Osburg arbeitet an einem Businessplan für die Sparte mit ihren rund 27.000 Mitarbeitern. Diese verfügt über Produktionskapazitäten von rund 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Der tatsächliche Absatz lag zuletzt jedoch eher bei 9,5 Millionen Tonnen. Konzernchef Miguel Lopez will das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint-Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky überführen.

Dabei läuft die Stahlkonjunktur alles andere als rund. Konkurrent Salzgitter hatte zuletzt Rückgänge bei Umsatz und Gewinn vermeldet. Der Stahlindustrie fehlten noch immer dringend benötigte Nachfrageimpulse der wichtigen stahlverarbeitenden Branchen, hatte der Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl zuletzt mitgeteilt.

Thyssenkrupp verwies nun in seiner Mitteilung auf ein “anhaltend herausforderndes Marktumfeld”, das unter anderem zu einem deutlichen Umsatzrückgang führe. “Eine kurzfristige Marktstabilisierung im laufenden Geschäftsjahr ist derzeit nicht absehbar”, räumten die Essener ein. Programme zu Effizienzsteigerungen könnten die Entwicklung nicht vollständig auffangen. Neben dem deutlichen Umsatzrückgang geht Thyssenkrupp nun beim bereinigten Gewinn (Ebit) von einem Wert oberhalb von 500 Millionen Euro aus. Bislang habe man von einem hohen dreistelligen Millionen-Euro-Wert erwartet. Der Free Cashflow (vor M&A) werde nun im Bereich um minus 100 Millionen Euro liegen, nachdem man bislang einen positiven Wert im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich vorhergesagt hatte.

Im dritten Geschäftsquartal habe der Umsatz nach vorläufigen Zahlen bei rund neun Milliarden Euro gelegen, das Ebit bei rund 150 Millionen Euro und der Cash Flow (vor M&A) bei minus 250 Millionen Euro. Vollständige Zahlen wollen die Essener am 14. August vorlegen.

(Bericht von Ralf Bode und Matthias Inverardi, Mitarbeit Daniela Pegna, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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