Gewerkschafts-Machtkampf bei Lufthansa-Tochter Discover – Streik möglich

Frankfurt (Reuters) – Bei der Lufthansa-Tochter Discover Airlines bahnt sich ein Arbeitskampf der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) an.

Die beiden Gewerkschaften sehen sich vom Discover-Management durch einen überraschenden erstmaligen Tarifabschluss mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ausgebootet. Mit koordiniertem Vorgehen wollen sie die Airline zwingen, auch mit ihnen die nach langen Gesprächen fast fertigen Tarifverträge zu schließen, wie sie am Mittwoch ankündigten. Ab Donnerstag sollen die Mitglieder in einer Urabstimmung bis 21. August entscheiden, ob sie dafür streiken wollen. “Ziele sind unsere Tarifverträge mit guten Bedingungen”, sagte VC-Chef Andreas Pinheiro.

Verdi ist aus Sicht von VC nicht die legitime Vertretung der rund 1900 Beschäftigten in Cockpit und Kabine. Laut UFO haben die Spartengewerkschaften zusammen rund 1000 Mitglieder bei Discover, während Verdi kaum vertreten ist. UFO-Chef Joachim Vasquez Bürger sprach Verdi die Kompetenz ab, so gut wie UFO Belange des fliegenden Personals zu regeln. Das wies Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky mit Verweis auf tarifliche Vertretung bei anderen Lufthansa-Flugbetrieben und anderen Airlines zurück. Der Abschluss mit Disover liege über den Forderungen von VC und UFO, erklärte er. “Der jetzige Konflikt zeigt, dass es beiden deshalb nicht darum geht, mehr für die Beschäftigten zu erreichen, sondern Macht und Bedeutung im Konzern abzusichern.” Das nütze der Belegschaft nicht, Verdi erlebe derzeit eine Eintrittswelle bei dem 2021 gegründeten Ferienflieger.

Discover zeigte kein Entgegenkommen bei den Forderungen von VC und UFO. “Wir haben mit Verdi einen Sozialpartner und eine abgeschlossene Tarifierung”, erklärte die Airline. “Unser Fokus liegt jetzt darauf, dass der Tarifvertrag umgesetzt wird und wirken kann.” Das Unternehmen könnte beim positiven Votum der Mitglieder einen Streik nur abwenden, wenn es sich mit VC und UFO einigt, erklärte VC-Tarifchef Marcel Gröls.

VERTRAUENSVERLUST

Dass es mehr um einen Grundsatzstreit im Lufthansa-Konzern als um tarifliche Details geht, machten auch VC und UFO klar. Beide Gewerkschaften bemühten sich lange vergeblich um Tarifabschlüsse mit der Discover-Geschäftsführung. Das führte zu einer Streikwelle der VC und einem Erzwingungsstreik von UFO Anfang des Jahres. Der Airline gelang es, mit Hilfe anderer Fluggesellschaften aus der Lufthansa-Gruppe die Folgen für die Passagiere in engen Grenzen zu halten.

“Seit geraumer Zeit lagen fertige Tarifverträge in der Schublade, aber man ist nicht zu Potte gekommen”, berichtete UFO-Tarifvorstand Harry Jäger. Dann habe sich der Arbeitgeber trotz noch laufender Gespräche mit Verdi geeinigt. “Sowas ist uns noch nicht untergekommen.” Die Fäden dafür wurden nach Vermutung der Gewerkschaften in der Lufthansa-Zentrale gezogen. UFO-Chef Joachim Vasquez-Bürger und VC-Chef Pinheiro vermuten eine gezielte Strategie des Lufthansa-Konzernvorstands hinter dem Fall Discover. Es sei ein Paradigmenwechsel, mit dem die im Unternehmen etablierten Fachgewerkschaften aus dem Tarifgeschäft herausgedrängt werden sollten, sagte Vasquez Bürger. “Das ist für uns ein großes Problem.”

Womöglich werde es bei der neu gegründeten Fluggesellschaft für Zubringerflüge City Airlines genauso gehen. “Das ist keine kleine Frage – Discover und City Airlines gehören in die Hände der Fachgewerkschaften”, betonte der UFO-Chef. Die Lufthansa wolle die verschiedenen Flugbetriebe tariflich trennen, um Kosten zu drücken. Mit VC und UFO an einem Verhandlungstisch in allen Betrieben sei es für sie aber schwerer, die Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen, sagte Pinheiro. VC und UFO sprachen von einem Vertrauensverlust gegenüber dem Lufthansa-Management. “Der Schwarze Peter gehört nicht zu Verdi, der Schwarze Peter gehört ins Lufthansa-Management”, sagte UFO-Tarifvorstand Jäger.

Der Affront schmälere auch die Gesprächsbereitschaft von UFO, der zurzeit mit schwacher Ertragslage kämpfenden Lufthansa-Hauptmarke an anderer Stelle entgegenzukommen. UFO und VC wollen künftig enger zusammenarbeiten, um ihre starke Position im Lufthansa-Konzern zu verteidigen. An Solidaritätsstreiks der Gewerkschaften bei der Kernmarke Lufthansa sei zunächst nicht gedacht, sie werden von der VC aber auch nicht ausgeschlossen.

(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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