(neu: Kursreaktion, Abschreibungen, mehr Hintergrund)
– von Alexander Hübner und Tom Sims
München/Frankfurt (Reuters) – Die 14 Jahre dauernde Hängepartie um die Übernahme der Postbank nähert sich für die Deutsche Bank einem teuren Ende.
Mit einem Großteil ehemaliger Postbank-Aktionäre, die einen höheren Preis gefordert hatten, hat sich Deutschlands größtes Geldhaus nun außergerichtlich auf einen kräftigen Nachschlag geeinigt. Mehr als 80 von ihnen, die sich auf den Vergleich eingelassen haben, erhalten zu den damals gezahlten 25 Euro je Aktie zusätzlich 31 Euro, wie die Bank in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Das dürfte sie rund 380 Millionen Euro kosten – das ist aber weniger als die Hälfte der Summe, die sie dafür reserviert hatte.
Im April war Bewegung in die Angelegenheit gekommen, als das Oberlandesgericht Köln überraschend erstmals signalisiert hatte, dass den ehemaligen Postbank-Aktionären tatsächlich deutlich mehr zustehen könnte als die 2010 gezahlten 25 Euro je Aktie. Die Kläger hatten 57,25 Euro zuzüglich der seither aufgelaufenen Zinsen gefordert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall bereits zweimal wieder an das OLG zurückverwiesen. Am Montag hatte das Gericht seine für Mittwoch anberaumte Entscheidung um zwei Monate auf den 23. Oktober verschoben, wegen “weiteren Beratungsbedarfs”.
Auf die ehemaligen Aktionäre der Postbank, die es nun nicht mehr auf einen Prozess ankommen lassen, entfielen laut Deutscher Bank fast 60 Prozent der Forderungen. Unter ihnen ist auch der größte Einzelkläger. Verhandlungen mit weiteren Klägern laufen noch. Das Verfahren vor dem OLG Köln läuft ebenfalls vorerst weiter. Von den 16 Klägern dort – darunter das Anlegermagazin “Effecten-Spiegel” – ist keiner Teil des Vergleichs. Diese stehen allerdings laut der Bank für weniger als zehn Prozent der eingeklagten Summe.
500 MIO EURO RÜCKSTELLUNGEN SIND NOCH ÜBRIG
Die Deutsche Bank könne damit “die Kosten und Risiken des Rechtsstreits um die Postbank-Übernahme erheblich reduzieren”, sagte ein Sprecher. Sie hatte nach dem Fingerzeig des OLG Köln 1,3 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. Rund ein Drittel davon, genau 430 Millionen Euro, kann sie nun auflösen. Sie führen im laufenden dritten Quartal zu einem Extra-Gewinn, nachdem das Milliarden-Risiko dem Institut das zweite Quartal verhagelt hatte. Das – durch die Rückstellungen abgedeckte – Restrisiko für die Deutsche Bank liegt nun rechnerisch bei gut einer halben Milliarde Euro.
Ihre eigenen Aktionäre können nach dem ersten Vergleich auf einen weiteren Aktienrückkauf oder höhere Dividenden hoffen – wenn die Finanzaufsicht BaFin mitspielt. Nach den Rückstellungen hatte die Bank Pläne für einen Aktienrückkauf zunächst gestoppt. “Angesichts der positiven Effekte auf unsere Kapitalplanung werden wir unsere Ausschüttungspläne prüfen und im Rahmen unseres laufenden Dialogs mit unseren Aufsichtsbehörden besprechen”, sagte der Bank-Sprecher nun. Das trieb die Aktie am Donnerstag um mehr als drei Prozent nach oben und machte sie zum mit Abstand größten Gewinner im Leitindex Dax.
Die geforderten 57,25 Euro entsprechen dem Betrag, den die Deutsche Bank zwei Jahre vor der Komplettübernahme der Postbank für ein erstes Aktienpaket an die Deutsche Post gezahlt hatte. Sie war damals bewusst unter der Marke von 30 Prozent geblieben, oberhalb der ein Pflichtangebot an alle Aktionäre fällig wird. Strittig ist aber, ob die Deutsche Bank durch Vereinbarungen mit der Post de facto nicht doch schon vor der offiziellen Übernahme 2010 Zugriff auf deren verbliebenen Anteil hatte.
Der Anwalt einer Aktionärsgruppe, Jan Bayer von der Kanzlei Bayer Krauss Huber, hatte am Freitag von einem Vergleichsangebot der Bank über 36,50 Euro je Aktie berichtet, dieses aber als zu niedrig zurückgewiesen. Einer seiner Mandanten habe sich mit der Deutschen Bank geeinigt und seine Klage daraufhin zurückgezogen, erklärte er nun. Der Vergleich habe aber “keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidungen anderer Kläger”, betonte er.
(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Tom Sims; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)