Frankfurt (Reuters) – Die Anleger am deutschen Aktienmarkt haben auf das Aus der Ampel-Koalition am Donnerstag zunächst mit Gelassenheit reagiert.
Der Dax rückte um 1,3 Prozent auf 19.292 Zähler vor, der EuroStoxx50 gewann 0,7 Prozent. Experten sahen in dem Plus jedoch vor allem eine Gegenbewegung zu dem 1,1-prozentigen Kursrutsch vom Vortag, als die Angst vor einer aggressiven Zollpolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump den Dax auf Talfahrt schickte. Eine zusätzliche Verunsicherung durch das Ende der Ampel bräuchten die Anleger nun überhaupt nicht, sagt Christian Henke vom Broker IG. “Es sollte nicht überraschen, wenn deutsche und europäische Aktien künftig erst einmal gemieden werden.”
Nach drei schwierigen Jahren unter anderem mit dem Krieg in der Ukraine, Rekordinflation und Rezession zerbrach am Mittwoch die Regierung aus SPD, Grünen und FDP – knapp ein Jahr vor der regulären Wahl. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab dafür dem inzwischen entlassenen Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Schuld. Er sprach von fehlendem Vertrauen und zu vielen Querschüssen. Lindner warf dem Kanzler wiederum mangelnde Führungsstärke und eine falsche Wirtschaftspolitik vor. Laut Scholz könnten Neuwahlen bis spätestens Ende März stattfinden. Das Ende der Regierungskoalition “mag zwar perspektivisch Raum für konjunkturelle Stimuli und wirtschaftspolitische Reformen schaffen, zunächst aber ist die Regierung nicht mehr handlungsfähig, was zur Verunsicherung beitragen dürfte”, prognostizieren die Experten der Helaba in einem Kommentar.
WIE REAGIERT DIE FED AUF DEN WAHLSIEG VON TRUMP?
Neben der deutschen Innenpolitik sorgte auch der am Abend anstehende Fed-Zinsentscheid für Anspannung unter den Marktbeobachtern. Experten rechneten damit, dass die US-Zentralbank voraussichtlich zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinsen senken wird. Spannend sei auch die Pressekonferenz, sagte Thomas Altmann von QC Partners. “Denn hier wird Fed-Chef Jerome Powell nicht darum herumkommen, Fragen zur Auswirkung von Trumps Wahlprogramm auf Wirtschaft, Inflation und Geldpolitik zu beantworten.” Auch Fragen zu Powells Zukunft selbst seien durchaus zu erwarten.
Analysten erwarten, dass Trumps anvisierte Politik höherer Zölle die Inflation wieder nach oben treibt und die Geldpolitik damit restriktiver wird. Der Dollar, der als Reaktion auf Trumps Wahlsieg am Mittwoch auf ein Vier-Monats-Hoch geklettert war, notierte im Vorfeld der Fed-Sitzung zeitweise 0,4 Prozent schwächer bei 104,70 Zählern. Der Euro konnte seine jüngste Talfahrt stoppen und notierte mit 1,0745 Dollar am Donnerstag 0,2 Prozent fester.
DAIMLER TRUCK STARTEN DURCH
Auf der Unternehmensseite sorgten die zahlreichen Quartalsbilanzen für zum Teil deutliche Kursausschläge. Angesichts zuversichtlicher Aussagen für das Gesamtjahr griffen die Anleger im Dax bei Heidelberg Materials zu. Die Titel stiegen in der Spitze um 8,6 Prozent auf ein Rekordhoch von 117 Euro. Deutlich zulegen konnten nach anfänglichen Verlusten auch Daimler Truck mit einem Plus von 6,4 Prozent. Für Kauflaune sorgte laut Händlern, dass der bereinigte Betriebsgewinn im dritten Quartal etwas über den Erwartungen lag. Insgesamt hat die geringe Nachfrage in Europa das Ergebnis des Lkw-Bauers jedoch schrumpfen lassen. Nach oben ging es ebenfalls für die Titel von Rheinmetall. Der stark in den USA engagierte Rüstungskonzern sieht sich dort auch nach der Wahl von Trump auf Kurs. Rheinmetalls Wachstumsperspektiven in den USA blieben intakt, hieß es in einer Präsentation des Konzerns für eine Analystenkonferenz. Die Aktien notierten gut fünf Prozent fester.
Auf der Verliererseite standen im Dax unter anderem die Titel der Münchener Rück, die 0,8 Prozent schwächer notierten. Großschäden wie die Verwüstungen durch den Hurrikan “Helene” haben den Rückversicherer im dritten Quartal deutlich stärker belastet als ein Jahr zuvor. Dennoch sieht sich die Münchener Rück unverändert auf gutem Weg, im Gesamtjahr das bisher angepeilte Konzernergebnis von 5,0 Milliarden Euro zu übertreffen. An der Pariser Börse schickten steigende Kosten die Titel von Air France-KLM auf Talfahrt. Die Aktien brachen zeitweise um mehr als zwölf Prozent ein, so stark wie zuletzt vor zwei Jahren. Das Unternehmen rechnet nun für das Gesamtjahr mit Kostensteigerungen von etwa drei statt zwei Prozent.
(Bericht von: Daniela Pegna, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)