– von Ilona Wissenbach
Frankfurt (Reuters) – Das Startup Vulcan Energy kommt mit dem Plan einer Produktion von Lithium für E-Auto-Batterien in Deutschland einen wichtigen Schritt weiter.
Am Freitag nahm das Unternehmen im Industriepark Frankfurt-Höchst eine Demonstrationsanlage in Betrieb, die Lithiumhydroxid fertigt. Das weiße Pulver wird von Batteriezellproduzenten benötigt. Es wird aus Thermalwasser vom Oberrheingraben in Rheinland-Pfalz gewonnen. Die industrielle Produktion in großer Menge soll 2027 beginnen – zwei Jahre später als ursprünglich geplant. “Das erste vollständig in Europa hergestellte nachhaltige Lithium aus unseren beiden Optimierungsanlagen ist ein wichtiger Meilenstein für das Unternehmen”, erklärte Vulcan-Chef Cris Moreno. Vertreter der Landesregierungen Hessens und Rheinland-Pfalz erklärten ihre Unterstützung für das Projekt.
Das Besondere an dem Batterierohstoff von Vulcan ist nicht nur, dass er aus Europa stammt, während die führenden Hersteller und Weiterverarbeiter bisher in Südamerika und China sitzen. Er ist auch klimafreundlicher, weil die benötigte Energie mit der Soleförderung gleichzeitig CO2-frei mit Geothermie-Kraftwerken gewonnen wird. Diese Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Die Produktion ist Moreno zufolge billiger als der energieintensivere Gesteinsabbau in Minen. An der Börse in Australien zogen die Vulcan-Aktien knapp fünf Prozent an.
“Der Finanzierungsprozess hat länger gedauert als erwartet”, sagte Christian Freitag, in der Vulcan-Geschäftsführung für Lieferkettenmanagement verantwortlich, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Finanzbedarf des 2018 gegründeten deutsch-australischen Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 1,9 Milliarden Euro, einschließlich Finanzierungskosten. Im ersten Quartal sollen die benötigten Mittel gesichert sein. Von einer Handvoll Investoren sollen mehr als 600 Millionen Euro Eigenkapital fließen. Für einen Teil davon hat Vulcan öffentliche Fördermittel von Bund und Ländern in Aussicht. Die übrigen 1,3 Milliarden Euro stellen Banken bereit – darunter auch die europäische Förderbank EIB.
SCHRITTWEISE MEHR LITHIUM
Vulcan sei über die Abnahmevereinbarungen mit den Autobauern Volkswagen, Stellantis und Renault, dem Batterieproduzenten LG Energy und dem Kathodenhersteller Umicore für die ersten zehn Produktionsjahre schon ausverkauft. In zwei Jahren soll eine Menge von 24.000 Tonnen im Jahr geliefert werden – genug für 500.000 Elektroautobatterien. Dafür müsste in Landau, wo bisher eine Pilotanlage das Thermalwasser aus der Erde pumpt, eine größere Extraktionsanlage und in Höchst eine noch größere Anlage entstehen. Die Beschäftigtenzahl von heute 370 soll um 1300 wachsen in der ersten Phase. Alle zwei bis drei Jahre soll die Kapazität noch zwei bis drei Mal um 24.000 Tonnen erweitert werden. Bis zum Ende der 30er Jahre könnte Vulcan damit 100.000 Tonnen liefern, erklärte Moreno. Aktuell liege der Bedarf der Autoindustrie in Europa bei 200.000 Tonnen im Jahr.
Der aktuell schleppende Umstieg auf Elektroautos stellt Freitag zufolge die Pläne nicht infrage. “Der Bedarf an unserem CO2-neutral hergestellten Lithium zu wettbewerbsfähigen Preisen ist nach wie vor hoch”, sagte er. Die Autobauer gingen trotz der Flaute von einer stärkeren Nachfrage Ende dieses Jahrzehnts aus. Auch Preisschwankungen wirkten sich kaum aus. Seit dem Höchststand von mehr als 70 Dollar pro Kilogramm Ende 2022 sank der Preis um 80 Prozent. Vulcan habe für mehr als die Hälfte der ausgemachten Menge eine Bandbreite eines Minimum- und Maximumpreises mit den Abnehmern vereinbart. “Das heißt, selbst bei extrem niedrigen Lithiumpreisen, die noch niedriger sein könnten als aktuell, ist unser Projekt nach wie vor profitabel.”
Die Europäische Union verfolgt das Ziel, ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu auf die Straße zu bringen. Außerdem will sich der Kontinent über die gesamte Lieferkette hinweg unabhängiger von Asien machen. Deshalb gibt es mittlerweile viele Projekte in Europa – die meisten davon in Form von Bergbau, wie das von der EU geförderte Vorhaben von Rio Tinto in Serbien. Sie stoßen wegen möglicher Schäden für die Umwelt auf Widerstand der Bevölkerung. Bei der Tiefengeothermie, wie sie Vulcan Energy betreibt, gibt es das Risiko, Erdbeben auszulösen. Das werde aber ständig überwacht und könne vermieden werden, sagte Moreno.
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