Frankfurt (Reuters) – In der Krise von Volkswagen bleiben die Fronten zwischen den Sozialpartnern verhärtet.
Betriebsrat und Konzernführung forderten sich am Mittwoch auf der Betriebsversammlung im VW-Stammwerk Wolfsburg gegenseitig auf, sich zu bewegen. Konzernchef Oliver Blume bekräftigte, die zu hohen Arbeitskosten in Deutschland müssten wegen des großen Konkurrenzdrucks, vor allem in China, sinken. “Die aktuelle Situation ist ernst”, sagte Blume. Der Sparvorschlag der Arbeitnehmerseite sei ein guter Start, “reicht aber leider bei weitem noch nicht aus, die Zukunft von Volkswagen zu verteidigen”, ergänzte der Manager vor mehr als 20.000 Beschäftigten, die ihn nach Aussage von Teilnehmern immer wieder auspfiffen.
Betriebsratschefin Daniela Cavallo betonte, die Belegschaft sei nicht verantwortlich für die unbestrittenen Probleme von Volkswagen, sei aber zu Zugeständnissen bereit. Eine Lösung mit Werksschließungen, Massenentlassungen und Entgelt-Einschnitten komme aber weiter nicht infrage. “Entweder raufen wir uns zusammen und fangen an, ernsthaft Kompromisse in Angriff zu nehmen. Oder aber der Vorstand beharrt auf seinem Standpunkt und es eskaliert”, sagte sie, begleitet von Sprechchören der Mitarbeitenden “bundesweit streikbereit”.
In dieser Woche legten schon fast 100.000 VW-Beschäftigte bei Warnstreiks die Arbeit für einige Stunden nieder, um gegen die Pläne des Managements zu protestieren. Europas größter Autobauer will aufgrund von sinkendem Absatz und Gewinn die Kosten senken. In den laufenden Tarifverhandlungen fordert VW deshalb eine Lohnkürzung um zehn Prozent, droht mit Kündigungen und der erstmaligen Schließung von Werken in Deutschland. “Heute sind wir mit unseren Strukturen, Überkapazitäten und Kosten nicht zukunftsfähig”, sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer. In der Autoindustrie bleibe gerade kein Stein auf dem anderen.
HILFERUF AN DIE POLITIK
Cavallo zeigte sich enttäuscht, dass neue Lösungsvorschläge von der Arbeitgeberseite ausblieben. Sie rief in Gegenwart von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) außerdem die Politik auf, die Wirtschaft anzukurbeln, um VW und der gesamten Autoindustrie in der Krise zu helfen. Die Parteien müssten sofort handeln und nicht abwarten, bis in einem halben Jahr nach der Neuwahl eine Regierung stehe. “Es muss jetzt etwas geschehen! Denn es steht zu viel auf dem Spiel – für Volkswagen, für die Wirtschaft, für Deutschland insgesamt!”
SPD-Politiker Heil stärkte der Belegschaft den Rücken. “Es muss gelingen, die VW-Standorte in Deutschland zu sichern”, sagte er laut Teilnehmerkreisen. “Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.” Am Ende müsse die Sicherung von Standorten, Beschäftigung und der Zukunft des Unternehmens herauskommen.
Die VW-Tarifverhandlungen gehen am 9. Dezember weiter. Die Arbeitnehmer wollen auf die Überkapazitäten mit einem Fonds antworten, der eine Arbeitszeitverkürzung an den besonders betroffenen Standorten finanzieren kann. Dazu bieten sie aber keinen Lohnverzicht an, sondern die Nutzung der jetzt anstehenden Tariferhöhung. Das Konzept sei damit verbunden, die Produktionskapazitäten und die Stammbelegschaft erheblich zu reduzieren, sagte Cavallo. Allerdings nur sozialverträglich.
(Bericht von Ilona Wissenbach, Victoria Waldersee; redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)