Evonik vor Umbau – 7000 Stellen könnten betroffen sein

Düsseldorf (Reuters) – Evonik-Chef Christian Kullmann will den Essener Chemiekonzern mit dem größten Umbau seiner Geschichte schlanker und schlagkräftiger machen.

Rund 7000 Arbeitsplätze könnten möglicherweise durch die Pläne abgegeben werden. In der neuen Struktur werde Evonik künftig auf zwei Säulen stehen, kündigte Kullmann am Freitag an. Die beiden neuen Segmente Custom Solutions und Advanced Technologies kommen aktuell auf einen Jahresumsatz von jeweils rund sechs Milliarden Euro. Kullmann tritt zudem auf die Kostenbremse, rund 2000 Stellen fallen dadurch wie angekündigt weg. Geschäfte mit rund 3600 Beschäftigten an den Standorten Marl und Wesseling sollen zudem abgetrennt werden. Diese könnten etwa in Gemeinschaftsunternehmen eingebracht oder verkauft werden, sagte der Evonik-Chef. Insgesamt und inklusive bereits laufender Verkaufsprogramme könnte Evonik damit rund 7000 der derzeit etwa 32.000 Stellen abgeben. Die IG BCE forderte, in der aktuellen Phase müssten Investitionen Vorrang haben vor Dividenden.

Kullmann will Evonik auf zukunftsträchtige und margenstarke Geschäfte ausrichten, in denen der Konzern weltweit technologisch führend ist. Von Massengeschäften verabschieden sich die Essener, weitere Verkäufe stehen noch an. “Wir haben die Qualität unseres Portfolios in den vergangenen Jahren deutlich verbessert”, sagte Kullmann. Nun will er Evonik zukunftsfest machen, der Aufsichtsrat habe sich geschlossen hinter die Pläne gestellt. Der Umbau wirkt sich auch auf den Vorstand aus – und das Management. Die beiden neuen Business Lines übernehmen im Vorstand die Amerikanerin Lauren Kjeldsen und die Französin Claudine Mollenkopf. Der ehemalige BASF-Manager und Evonik-Vorstand Harald Schwager wird dagegen ebenso wie sein Kollege Johann-Caspar Gammelin ausscheiden.

Kullmann will zudem eine komplette Führungsebene im operativen Geschäft streichen. Rund 500 Stellen im Management sollen wegfallen, weitere 1000 Führungskräfte sollen bis Ende 2027 neue Aufgaben erhalten, kündigte der Manager an. Bisher steuerte Evonik das operative Chemiegeschäft in den Einheiten Specialty Additives, Nutrition & Care sowie Smart Materials. Dies wird nun anders.

In der neuen Struktur, die zum 1. April 2025 umgesetzt wird, steht der Konzern künftig auf zwei Säulen. Das Segment Custom Solutions stellt etwa Produkte für die Kosmetik- und Pharmaindustrie her. Der Bereich mit rund 7000 Mitarbeitern soll auch in Nischenmärkten aktiv sein und dort maßgeschneiderte Lösungen für Kunden entwickeln. Im Segment Advanced Technologies werden mit rund 8000 Mitarbeitern unter anderem Hochleistungskunststoffe und Wasserstoffperoxid sowie Ergänzungsmittel für die Tier-Nahrung produziert. Evonik sei in diesen Geschäften in der Regel führend, sagte Kullmann. Im Konzern sind zudem noch zahlreiche Mitarbeiter mit dem Betrieb von Anlagen sowie der Verfahrenstechnik beschäftigt.

EVONIK VERKAUFT GESCHÄFTE – “ES WIRD NICHT VERRAMSCHT”

Die Chemieindustrie in Deutschland befindet sich in der Krise, die Hoffnung auf eine Belebung in diesem Jahr hat die Branche aufgegeben. “Unsere Industrie befindet sich in einer schweren Rezession. Die Nachfrage nach chemischen Produkten sinkt weiter, auch das Pharmageschäft schwächelt”, hatte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, erst kürzlich gesagt. Zahlreiche Konzerne haben mit Sparprogrammen und einem Abbau von Stellen reagiert.

Evonik hatte angekündigt, bis 2026 rund 2000 Stellen abbauen zu wollen, rund 1500 davon in Deutschland. Die Kosten sollen damit um rund 400 Millionen Euro gedrückt werden. Zudem steht auch das intern C4-Verbund genannte Geschäft mit über 1000 Mitarbeitern zur Disposition. “Wir werden die C4-Chemie dann verkaufen, wenn wir einen guten Preis bekommen und einen sicheren Hafen für sie finden. Es wird nichts verramscht”, sagte Kullmann. Zudem löst er nun Geschäfte mit rund 3600 Beschäftigten an den Standorten Marl und Wesseling aus dem Konzern-Verbund. “Wir werden bis zur Sommerpause sehen, was passieren wird”, sagte der Evonik-Chef: “In Frage kommen etwa Gemeinschaftsunternehmen oder ein Verkauf.”

“Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass die Transformation von Evonik sozialverträglich organisiert wird und nicht nur Abbau und Ausgliederung, sondern auch Investition und Modernisierung bedeutet”, sagte Alexander Bercht, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Chemie-Gewerkschaft IG BCE und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Evonik. Die Gewerkschaft wolle für einen Transformationsfonds für Evonik kämpfen, “aus dem Zukunftsinvestitionen für die Standorte finanziert werden”.

(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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