Zürich/Bern (Reuters) – Die obersten Behörden in der Schweiz haben beim Niedergang der Credit Suisse nach Ansicht einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zahlreiche Fehler begangen.
Zu diesem Ergebnis kommen die 14 Abgeordneten der PUK nach einer 18-monatigen Untersuchung des Zusammenbruchs des einst zweitgrößten Bankhauses des Landes. Die Finanzmarktaufsicht Finma habe der Credit Suisse (CS) zu viele Eigenmittelerleichterungen gewährt und sich mit ihren Forderungen nach einem Kurswechsel bei der Spitze des Instituts zu wenig durchgesetzt, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht.
Dem damaligen Finanzminister wirft die PUK Geheimniskrämerei vor. Die Behörden seien aber nicht verantwortlich für den Kollaps. “Die Verantwortung für den Vertrauensverlust in die CS und deren Schieflage liegt bei deren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der letzten Jahre”, erklärte PUK-Präsidentin Isabelle Chassot.
Die Credit Suisse blickte auf eine jahrelange Pannen- und Skandalserie zurück, die schließlich zu einem Bankensturm führte. Im März 2023 orchestrierte die Schweizer Regierung eine Notübernahme durch die Rivalin UBS. Diese half zwar, eine weltweite Finanzkrise zu verhindern. Doch das Ende der eng mit der Geschichte des Landes verbundenen Credit Suisse erschütterte das auf Solidität und finanziellen Sachverstand gründende Selbstverständnis der Schweiz.
“DRINGENDER HANDLUNGSBEDARF”
Im Zuge der Krisenverarbeitung nahm die PUK ab Juni 2023 die Behörden wie die Finma, die Regierung und die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter die Lupe. Eine PUK ist das schärfste Instrument des Schweizer Parlaments und wurde in der modernen Geschichte des Landes erst fünfmal eingesetzt. Nach Ansicht der Untersuchungskommission haben die Regierung und das Parlament den Anliegen der Großbanken ab 2015 zu viel Gehör geschenkt und zu zögerlich eingegriffen. Dass die Behörde der CS 2017 umfassende Eigenmittelerleichterungen gewährt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Finma erklärte dazu: “Wir stärken unsere Aufsicht weiter und setzen auch die Lehren um, die wir aus dem Fall Credit Suisse gezogen haben.”
Als Reaktion auf die Krise hatte die Schweizer Regierung im April 2024 einen Bericht zur Reform der Bankenregulierung vorgelegt und darin unter anderem strengere Eigenmittelanforderungen für den Branchenprimus empfohlen. Demnach könnte die UBS weitere 15 bis 25 Milliarden Dollar an Kapital benötigen. Die Credit Suisse habe ein Kapitalproblem gehabt, erklärte der Abgeordnete Roger Nordmann. “Es war nicht nur Liquidität, es war nicht nur eine Vertrauenskrise, es war auch eine Kapitalkrise.” Die UBS versucht indes, umfangreiche zusätzliche Kapitalanforderungen zu verhindern. “Dies ist entscheidend für eine starke und wettbewerbsfähige UBS und einen Schweizer Finanzplatz, der unsere Wirtschaft unterstützt”, so die Bank. Die Regierung will in der ersten Hälfte 2025 Entwürfe für Änderungen von Gesetzen und Verordnungen vorlegen.
BONI VON 40 MILLIARDEN FRANKEN
Im August 2022 sei die Regierung ein erstes Mal kurz über den kritischen Zustand der Credit Suisse informiert worden. In den darauffolgenden Monaten tauschten sich Behördenvertreter dem PUK-Bericht zufolge zwar immer wieder aus, doch nicht alle seien auf dem gleichen Wissensstand gewesen, “was ein früheres dezidiertes Eingreifen möglicherweise erschwert hat.” Insbesondere die Information der Regierung habe zu wünschen übrig gelassen. Auch die informellen Treffen, die im Herbst vom ehemaligen Finanzminister Ueli Maurer und SNB-Präsident Thomas Jordan angestoßen wurden, stufte die Kommission als “bedingt zweckmäßig” ein. Nach seiner Amtsübernahme 2016 hätten politische Vorstöße darauf abgezielt, die Unabhängigkeit der Behörde zu schwächen. Gegen Ende des Jahres 2022 erklärte Maurer bei der Amtsübergabe an seine Nachfolgerin Karin Keller-Sutter, dass die Bank über die Festtage zwar Schwierigkeiten bekundet habe, die Lage jedoch stabil sei. Keller-Sutter wird vorgeworfen, das Kabinett nicht rasch genug über die Krisenszenarien für die Bank informiert zu haben.
Teil des Berichts sind auch 30 Empfehlungen und Forderungen, um eine zukünftige Schieflage der letzten verbleibenden Schweizer Großbank zu verhindern. Die Finma solle zusätzliche Befugnisse erhalten und etwa auch Geldbussen verhängen können. Die PUK schlägt auch vor, dass die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrates mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelegt haben muss. Und schließlich müssten falsche Anreize verhindert werden. So sollen keine Boni ausgezahlt werden, wenn der Geschäftserfolg eines Instituts ausbleibt. Bei der CS hätten sich die Leistungsprämien an die Manager zwischen 2010 und 2022 auf 39,8 Milliarden Franken summiert. Die Verluste des Konzerns hätten sich im gleichen Zeitraum auf 33,7 Milliarden Franken belaufen.
(Bericht von Oliver Hirt, Dave Graham und Ariane Lüthi, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)