Start für TSMC-Werk in Dresden soll Chip-Aufholjagd einläuten

– von Andreas Rinke und Hakan Ersen

Dresden (Reuters) – Mit der Grundsteinlegung für die erste europäische Chipfabrik von TSMC ist am Dienstag in Dresden die Aufholjagd in der Halbleiterproduktion eingeleitet worden.

Nachdem die Europäische Union (EU) grünes Licht für die milliardenschweren deutschen Staatshilfen gegeben hatte, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an: “Das ist erst der Anfang.” Kanzler Olaf Scholz sagte, dass das Projekt in Dresden ein Element der deutschen und europäischen Halbleiterstrategie sei, bei der künftig ein Fünftel der Weltproduktion aus Europa kommen soll. Er verwies auf andere Projekte wie dasjenige von Intel in Magdeburg und betonte, dass die Bundesregierung die Branche weiter fördern werde. “Mit der Investition wird der Halbleiterstandort Deutschland weiter wachsen und Europas Resilienz im Halbleiterbereich gestärkt”, teilte Wirtschaftsminister Robert Habeck mit.

Scholz verteidigte die milliardenschweren Zuschüsse für die Firmen. “Wenn wir diese Produktion in Europa haben wollen – wo sie nicht unbedingt am günstigsten zu machen ist – dann müssen wir das finanziell ermöglichen. Wenn wir das nicht tun, dann tun es andere – und unsere Abhängigkeit wächst.” Durch die Digitalisierung und die Abwendung von fossilen Brennstoffen wachse der Bedarf an Computerchips, die bislang meist außerhalb Europas produziert würden. Die EU hatte daher den “Chips Act” verabschiedet, der dabei helfen soll, bis 2030 den europäischen Anteil an der weltweiten Produktion auf 20 Prozent zu verdoppeln.

Von der Leyen kündigte an, dass sie einen Fonds für Investitionen in strategisch wichtige Technologien vorschlagen werde. “Die nächste EU-Kommission muss und wird eine Investitionskommission sein.” Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte, dass ein “Chips Act 2” die Möglichkeiten für staatliche Hilfe noch ausbauen solle.

“SILICON SAXONY” UND “MEGAFAB”

Der Bund fördert den Bau des Werks der European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC), an der neben TSMC auch die europäischen Halbleiter-Hersteller Infineon und NXP sowie der Technologie-Konzern Boschbeteiligt sind, mit fünf Milliarden Euro. Das Gesamt-Investitionsvolumen beläuft sich auf zehn Milliarden Euro, von denen TSMC 3,5 Milliarden Euro beisteuert. Mit 30 Milliarden Euro wird die geplante “Megafab” von Intel in Magdeburg dreimal so teuer. Hier will Deutschland für den einzigen europäischen Standort zur Produktion hochmoderner Computerchips zehn Milliarden Euro zuschießen. Die EU-Genehmigung hierfür ist Schätzungen zufolge erst in einigen Jahren zu erwarten – gilt aber auch als sehr wahrscheinlich.

In Regierungskreisen hieß es, dass mögliche Verzögerungen wie bei Intel im Falle von TSMC nicht zu erwarten seien. “Das Unternehmen hat Erfahrung mit dem Bau von Fabriken im Ausland”, hieß es. Auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig betonte, er gehe fest davon aus, dass die Fabrik in Dresden 2027 mit der Produktion beginne. Verzögerungen erwarte er nicht, weil Sachsen und TSMC das Projekt seit Jahren vorbereitet hätten.

Im Dresdner TSMC-Werk werden zwar weniger moderne Halbleiter produziert. Diese Mikrocontroller für Sensoren, Bremsen oder andere Anwendungen sind für die deutschen Automobil- und Maschinenbauer aber wichtig. Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, bezeichnete den Spatenstich für das neue Halbleiter-Werk als “Meilenstein für den Technologiestandort Deutschland”.

Etliche Branchen hatten wegen ausbleibender Chip-Lieferungen während der Coronavirus-Pandemie ihre Produktion drosseln oder unterbrechen müssen. TSMC habe sich für Dresden entschieden, um nahe an den Kunden zu sein, sagte C. C. Wei, der Chef des taiwanischen Konzerns, bei der Feierstunde zur Grundsteinlegung. “Wir wollen den führenden europäischen Produktionsstandort schaffen.” Bereits heute ist “Silicon Saxony”, die Region um Dresden, der Hauptpfeiler der europäischen Chip-Industrie. So baut beispielsweise Infineon sein dortiges Werk für fünf Milliarden Euro aus. Auch Bosch ist mit einer Chip-Produktion vor Ort.

SORGE VOR NEGATIVEM EFFEKT DURCH LANDTAGSWAHL

Sowohl Scholz als auch Kretschmer mahnten, dass für den Ausbau der modernen Halbleiter-Industrie ein welt- und investitionsoffenes Klima nötig sei. Wenige Tage vor der Landtagswahl in Sachsen war dies eine Anspielung auf die rechtspopulistische Partei AfD. Die Sorge sei berechtigt, dass mit einem hohen AfD-Wahlergebnis oder mit unsicheren politischen Verhältnissen die Investitionen zurückgehen könnten, sagte auch Wirtschaftsminister Dulig im Reuters-Interview. Zudem könnte die Attraktivität der Region schwinden und benötigte Arbeitskräfte fernbleiben. Auch Wirtschaftsverbände hatten vor einem AfD-Wahlerfolg gewarnt.

(Bericht von Hakan Ersen und Andreas Rinke; unter Mitarbeit von Ilona Wissenbach und Toby Sterling. Redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2024binary_LYNXMPEK7J09E-VIEWIMAGE

Close Bitnami banner
Bitnami